Theo Albrecht: Vater des Diskonts ist tot

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Theo Albrecht hat zusammen mit seinem Bruder Karl, Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Der Aldi-Mitbegründer ist am Wochenende verstorben. Mit kleinen Preisen wurde er zu einem der reichsten Menschen weltweit.

Wien (ag./cim). Theo Albrecht hat, zusammen mit seinem Bruder Karl, Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Er war einer der reichsten Menschen der Welt und einer der legendärsten Unternehmer – aber auch einer der geheimnisvollsten. Das letzte offizielle Foto stammt aus dem Jahr 1971, das letzte Zitat ist noch älter. Vergangenen Samstag ist Albrecht mit 88 Jahren verstorben. Am gestrigen Mittwoch wurde er im kleinen Kreis beigesetzt, teilte Aldi mit.

Albrecht lebte so zurückgezogen, dass sogar die Eckdaten seiner Biografie umstritten sind: Geboren wurde er 1922, vermutlich im März und vermutlich in der Nähe Essens. Bei Essen, in dem Bergarbeiterort Schonnebeck, begann auch der Aufstieg der Brüder Albrecht. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, übernahmen sie 1946 den Lebensmittelladen ihrer Mutter. Nach und nach wurde daraus eine kleine Kette.

Der Durchbruch kam mit dem damals revolutionären Konzept, ohne das der Einzelhandel heute anders aussehen würde: niedrige Preise, kleines Sortiment, schmucklose, spartanisch eingerichtete Geschäfte, Verkauf aus Kartons. Mit dem ersten „Aldi“ war 1962 das Prinzip Diskont geboren.

Fortan explodierte die Zahl der „Aldis“. Heute kann man weltweit in 7800 Geschäften des Konzerns einkaufen, der Jahresumsatz wird auf 40 Mrd. Euro geschätzt. Die Brüder teilten die Firma schon in den 1960er-Jahren unter sich auf: Theo übernahm das Geschäft nördlich der Ruhr, Karl gehörte Aldi Süd. Das Auslandsgeschäft wurde ebenfalls geteilt. Dennoch arbeiteten die Brüder eng zusammen, die Gewinne flossen in zwei Familienstiftungen.

„Zurückgezogener als der Yeti“

Laut der Liste des US-Magazins „Forbes“ war Theo Albrecht der zweitreichste Deutsche – mit einem geschätzten Vermögen von 17 Mrd. Euro. Reicher war in Deutschland nur sein Bruder Karl. „Die Albrechts leben zurückgezogener als der Yeti“, klagte „Forbes“ einmal.

Jedes Jahr wenn das Magazin das Ranking der Reichsten publiziert, werden die Fotos zweier älterer, weißhaariger Herren mit zu großen Brillen gedruckt.

Ein „Forbes“-Fotograf lag dafür wochenlang auf der Lauer, bis er sie nach dem Kirchgang am Sonntag erwischte – und sofort mit Klagen eingedeckt wurde. Ein Grund für das zurückgezogene Leben dürfte Theo Albrechts Entführung sein: 1971 wurde er 17 Tage lang von einem Anwalt und einem Kleinkriminellen festgehalten.

Wie Theo Albrecht lebte, darüber weiß man wenig: Er war – wie sein Bruder – streng katholisch, sammelte historische Schreibmaschinen und liebte Orchideen. Seit 1949 war Albrecht mit seiner Frau Cilly verheiratet. Die beiden haben zwei Söhne, die für Aldi Nord arbeiten.

Theo junior und Berthold Albrecht sitzen zwar im Verwaltungsrat, dem leitenden Gremium, stehen aber im Schatten familienfremder Manager.

Theo Albrecht zog sich 1993 aus dem operativen Geschäft zurück. Posthum wurde nun bekannt, dass er vergangenen Sommer schwer gestürzt ist und sich davon nicht mehr vollständig erholt hat. Schon in den vergangenen Jahren wurde spekuliert, ob die legendären Brüder Albrecht (Karl ist mittlerweile 90) noch am Leben sind – so wenig ließen sie von sich hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2010)

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