Der Zulieferer von Apple weicht ins billigere Landesinnere Chinas aus. Mit 900.000 Mitarbeitern in China, Taiwan und Indien ist Foxconn bereits heute der größte Arbeitgeber der Welt.
Wien (ag/mar).Die Geschäfte bei Foxconn laufen offenbar bestens, der aufsehenerregenden Serie von Selbstmorden unter seinen Mitarbeitern zum Trotz. Der Elektronikkonzern beliefert so gut wie alle namhaften Hersteller von Computer und Handys, darunter Apple, Nokia, Hewlett-Packard und Dell. Vor allem die Nachfrage aus den USA und Europa kurbelt die Absätze von Foxconn an. So ist der Hersteller der wichtigste Zulieferer für den kalifornischen Computerkonzern Apple, der dank der Einführung seines Flachrechners iPad und des Telefons iPhone 4 im dritten Quartal einen Gewinnsprung auf 3,3 Mrd. Euro verzeichnet – mit Preisen von beispielsweise mehr als 1000 Euro für ein vertragsfreies iPhone.
Davon profitiert auch Foxconn, der mit seinen rund 900.000 Mitarbeitern in China, Taiwan und Indien bereits heute der größte Arbeitgeber der Welt ist. So schoss der Umsatz des Unternehmens im ersten Halbjahr um die Hälfte in die Höhe. Jetzt kündigte der Konzern an, die Anzahl der Beschäftigten bis Ende nächsten Jahres auf bis zu 1,3 Millionen ausbauen zu wollen – das sind bis zu 400.000 neue Mitarbeiter. Das Büro des taiwanesischen Konzernchefs Terry Goo bestätigte entsprechende Medienberichte und teilte mit, die Erhöhung sei auch Folge der Bemühungen, die Anzahl der geleisteten Überstunden zu reduzieren. Es sei ein Ziel des Unternehmens, „Arbeitnehmern mehr Zeit außerhalb der Arbeitsstellen zu geben“.
Weltweit in den Schlagzeilen
In diesen Worten klingt an, weshalb der zuvor weitgehend unbekannte Zulieferer Foxconn in den vergangenen Monaten weltweit in die Schlagzeilen geraten war: In seinen Werken in der südchinesischen Sonderwirtschaftszone haben allein seit Jahresanfang 14 Menschen Selbstmord begangen, meist durch den Sturz von einem Fabrikgebäude. Der jüngste Todesfall ereignete sich Anfang August. Ihre Kollegen klagten über miserable Arbeitsbedingungen von teilweise 24 oder 34 Stunden ohne Pausen, eine Unterbringung in Sammelunterkünften auf dem Fabriksgelände und schlechte Bezahlung. Chinesische Medien machten die Isolation der meist sehr jungen Arbeiter und ihre Trennung von den Familien für die Selbstmorde verantwortlich.
Die Vorfälle lösten weltweit eine Diskussion über die Arbeitsbedingungen in China aus, die hinter einem großen Teil der in den westlichen Ländern verkauften Gütern stehen. In der Sonderwirtschaftszone Shenzhen starteten die Arbeiter eine Serie von Streiks, während bei den chinesischen Verantwortlichen die Angst vor sozialen Unruhen stieg.
Die Boomregion verteuert sich
Foxconn reagierte mit der Anbringung von großen Netzen an Gebäuden, die einen tödlichen Sprung vom Dach erschweren sollten, und mit der Anhebung der Löhne um fast 70 Prozent. Ab Oktober verdient nun ein Foxconn-Arbeiter in der südchinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen im Monat 2000 Yuan (226 Euro). Auch der Mindestlohn in der Region wurde per Gesetz auf umgerechnet 130 Euro angehoben.
In den Boomregionen im Süden bleibt den Arbeitern trotzdem immer weniger von ihrem Gehalt, entsprechend gibt es allein in der Region des Perlflussdeltas bis zu 10.000 Streiks pro Jahr. Westliche Konzerne wie Hewlett-Packard und Cisco reagieren darauf mit der Abwanderung ins Landesinnere, wo die Nachfrage nach niedrig bezahlter Arbeit weit höher ist, und der monatliche Mindestlohn bei 70 Euro liegt. Peking fördert den Trend mit Milliardeninvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur.
Genau das setzt jetzt auch Foxconn um: In der armen zentralchinesischen Provinz Henan errichtet der Konzern ein Werk, das ab 2011 vor allem das Handy iPhone für Apple bauen soll. In einer Begründung dieser Entscheidung ist bei Foxconn von einem Ausweichen in niedrigere Lohnregionen keine Rede. Stattdessen betont Foxconn, dass die neuen Fabriken näher bei den Wohnorten der Arbeiter seien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2010)