US-Notenbank: Geldlawine setzt Europa unter Druck

(c) AP (Charles Dharapak)
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Innerhalb von 36 Stunden stellen vier große Zentralbanken die Weichen in der Geldpolitik neu. Während die Europäer den Krisen-Exit planen, setzen die USA und Japan auf frisches Geld. Experten warnen vor neuen Blasen.

Wien. 1,75 Billionen Dollar waren nicht genug. Am Mittwochabend werden die USA ihre Notenpresse wieder anwerfen und den Markt mit hunderten Milliarden Dollar fluten. Damit setzt die US-Notenbank Fed Zentralbanken rund um den Globus unter Zugzwang. Innerhalb von nur 36 Stunden werden die Weichen in der Geldpolitik neu gestellt.

Auf den Fed-Entscheid folgen die Bank of England, die EZB und die japanische Notenbank, die ihr Treffen eben erst um zwei Wochen vorverlegt hat. Inoffiziell deshalb, um rasch auf die Entscheidungen von Fed-Chef Ben Bernanke reagieren zu können. Dessen Hoffnung, dass sich das druckfrische Geld direkt in mehr Arbeitsplätze ummünzen lässt, teilen nicht alle. Im Gegenteil: Viele Experten warnen, dass die enorme Geldmenge neue Blasen füllen könnte – etwa bei Rohstoffen.

Fed heizt die Inflation an

Am Mittwochabend wird die US-Notenbank Fed der Wirtschaftsmisere in den USA also mit einem weiteren „Rettungspaket“ entgegentreten. Bis zu 500 Mrd. Dollar (357 Mrd. Euro) will Ben Bernanke drucken lassen, um US-Staatsanleihen aufzukaufen. Immerhin sind doppelt so viele Amerikaner arbeitslos wie vor der Krise, wird der Notenbanker argumentieren.

Doch die erwarteten Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind bescheiden, sitzen die US-Firmen doch heute schon auf über 1000 Mrd. Dollar Bargeld. Auch innerhalb der Fed werden Stimmen laut, die daran zweifeln, dass mehr Geld im Umlauf tatsächlich zusätzliche Jobs schaffen kann. Wahrscheinlicher ist, dass die Fed die Inflation anheizen und so den USA helfen wird, den 13,7 Billionen Dollar hohen Schuldenberg zu schrumpfen. Auch der US-Dollar dürfte weiter an Wert verlieren.

Japan verteidigt Währung

Besonders wachsam wird Masaaki Shirakawa die Entscheidung seines Amtskollegen verfolgen. Steigt der Yen gegenüber dem Dollar weiter an, setzt das die Exportwirtschaft des Landes unter Druck. Erst Mitte September schwächte die Bank of Japan (BoJ) aktiv den Yen – mit den ersten direkten Eingriffen am Devisenmarkt seit Jahren.

Ein zusätzliches Programm zum Ankauf von Staatsanleihen erwartet Ingo Jungwirt von der Raiffeisenbank diese Woche nicht. Entsprechende Pläne gab die BoJ nämlich schon im Oktober bekannt: 5000 Mrd. an frischen Yen (44 Mrd. Euro) will die Notenbank ausgeben. Dabei ist Japan bei Weitem nicht so wählerisch wie die USA. 3500 Mrd. Yen sollen für Staatsanleihen sein, um den Rest sollen auch Firmenanleihen mit schwächeren Ratings („BBB“) gekauft werden.

EZB: Der Exit hat begonnen

Die Europäische Zentralbank fährt einen anderen Kurs: Wenig Inflation und eine starke Währung sind in der Eurozone der Pfad, den es möglichst nicht zu verlassen gilt. Das Geld, das die EZB in der Krise in den Bankensektor gepumpt hat, wird bereits zurückgeholt. So werden auch für die kommende Tagung der EZB keine großen Sprünge erwartet. Bei den historisch niedrigen Leitzinsen von einem Prozent wird es bleiben, sagt Gudrun Ecker von der Erste Group: „Und ich denke, es wird auch darüber hinaus keine überraschenden Ankündigungen geben.“ Raiffeisen-Analyst Jungwirth glaubt nicht, dass die EZB ihren Kurs durchhalten wird: „Sie wird nicht zuschauen, wenn auf der ganzen Welt die Liquidität erhöht wird.“ Die EZB habe in der Krise nur reagiert, während die Fed Akzente gesetzt habe, kritisiert er.

Mit ihrer vergleichsweise straffen Geldpolitik riskiert die EZB, dass die Eurozone zum ersten Opfer im internationalen Währungsstreit wird: Wertet der Dollar zum Euro weiter ab, schadet das den europäischen Exporteuren. Umso mehr, als auch Japan, China, die asiatischen Tigerstaaten und Brasilien mit aller Kraft gegen eine Aufwertung ihrer Währungen ankämpfen.

Briten: Warten auf das Sparpaket

Auch von der Bank of England (BoE) erwarten Beobachter keine Eingriffe. Bis Februar hat die Bank um 200 Mrd. Pfund (229 Mrd. Euro) Anleihen gekauft, um die britische Wirtschaft zu stützen.

Weil das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal mit 0,8 Prozent aber doppelt so schnell gewachsen ist wie erwartet, dürften weitere Ankäufe vorerst vom Tisch sein. Verschlechtern sich die Konjunkturdaten aber 2011 wieder, wenn das Sparpaket einsetzt, wird wohl auch die Bank of England wieder auf Anleihenkäufe setzen.

Auf einen Blick

Bis zu 500 Mrd. Dollar will Fed-Chef Ben Bernanke drucken lassen, um die US-Wirtschaft zu stützen. Damit setzen die USA Notenbanken auf der ganzen Welt unter Zugzwang. Verliert der Dollar weiter an Wert, bringt das sowohl die europäische als auch die japanische Exportindustrie in Bedrängnis. Die japanische Zentralbank verteidigt den Yen, indem sie für 5000 Mrd. Anleihen aus dem Markt kauft. Die EZB gibt sich abwartend. Experten erwarten, dass der Leitzins bis Ende 2011 auf dem historisch niedrigen Niveau von einem Prozent bleiben wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2010)

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