Hedgefonds: Die Rückkehr der Heuschrecken

(c) Clemens Fabry
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Die strengere Regulierung in den USA und in Europa dürfte das "Schattenbanking" nicht bremsen, das von Hedgefonds verwaltete Vermögen weltweit dürfte nächstes Jahr einen neuen Höchststand erreichen.

Zürich/Brüssel/Reuters/Eid. In der Finanzkrise totgesagt, feiern die Hedgefonds eine glorreiche Auferstehung. Angesichts niedriger Sparzinsen und volatiler Aktienmärkte wenden sich vor allem finanzkräftige Investoren in Scharen Alternativen zu – ungeachtet der Tatsache, dass diese noch riskanter sind. Schon im nächsten Jahr dürfte das von Hedgefonds verwaltete Vermögen weltweit einen neuen Höchststand jenseits der Zwei-Billionen-Dollar-Marke erreichen.

Bis Ende September kletterten die verwalteten Vermögen der Branche, die in der Krise mit Wetten auf den Verfall der Häuserpreise in den USA für Negativschlagzeilen gesorgt hatte, nach Angaben von Hedge Fund Research auf 1,77 Billionen Dollar (1,26 Billionen Euro). Gemessen an der weltweiten Kapitalisierung von Aktien von rund 50 Billionen Dollar und Anleihen von rund 60 Billionen Dollar scheint das nicht viel. Doch für die totgesagte Branche ist das ein starkes Lebenszeichen. Analysten hatten vor Kurzem ein Absinken unter die Billionen-Schwelle prophezeit.

Jetzt rückt sogar der Rekordwert von 1,87 Billionen. Dollar aus dem Boomjahr 2007 in Reichweite. Der wachsende Anlagebedarf von Staaten und Privaten aus dem Nahen Osten und Osteuropa dürfte die Nachfrage zudem ankurbeln. Cedric Spahr, Chefanalyst für alternative Anlagen bei Credit Suisse, geht von einem jährlichen Anstieg der verwalteten Vermögen von acht bis zehn Prozent aus – dank Mittelzuflüssen und einer guten Performance. Yariv Itah vom US-Anlageberater Casey Quirk rechnet bis 2013 sogar mit drei Billionen Dollar. Institutionelle Anleger steckten einen immer größeren Anteil ihrer Gelder in die Fonds. Manch ein Anbieter müsse Investoren schon wieder abweisen.

Vergessen scheint der seine Haftstrafe verbüßende Bernard Madoff, der über ein Hedgefonds-Vehikel Milliarden abgezockt hat. Vergessen ist auch die in der Krise enttäuschende gewesene Rendite. 2008 verlor ein durchschnittlicher Hedgefonds ein Fünftel seines Wertes. Das war zwar deutlich weniger, als Aktien einbüßten, aber zu viel für eine Branche, die ihren Anlegern Gewinne in allen Marktphasen in Aussicht stellt. Mittlerweile hat sich das Umfeld für die Fonds, die große Ausschläge – aber nur nach oben – lieben, verbessert. 2009 brachten die meist kurzfristig orientierten Fonds fast 20 Prozent Rendite, in den ersten neun Monaten 2010 sechs Prozent.

Suche nach neuen Geldquellen

Dies zieht vor allem institutionelle Anleger an. Stiftungen und Pensionskassen, die die traditionelle Stammkundschaft der Superreichen immer mehr ablösen, suchen nach Anlagealternativen. Schließlich müssen sie genügend Geld verdienen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Georg Wessling, Anlagechef der Schweizer Dach-Hedgefonds-Gesellschaft Harcourt, geht für 2011 von hohen ein- bis niedrigen zweistelligen Renditen für Hedgefonds aus.

Regina Anhorn, Hedgefonds-Spezialistin der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, gewinnt dem Madoff-Skandal positive Seiten ab. Die verschwiegene Branche sei gezwungen gewesen, die Transparenz zu erhöhen und die eigenen Risken genauer zu überwachen.

EU-Richtlinie ab 2013

Die strengere Regulierung in den USA und in Europa dürfte den Experten zufolge Hedgefonds nicht bremsen. Möglicherweise profitieren sie sogar. Die USA, der wichtigste Operationsraum der „Heuschrecken“, schränken den Eigenhandel der Banken ein. „Einen gewissen Teil des Eigenhandels dürften Hedgefonds übernehmen“, prognostiziert Wessling. Ein Indiz dafür sei, dass Teams die Banken verlassen und eigene Hedgefonds aufmachen.

Das Europaparlament wird am Donnerstag (zum Start des G20-Gipfels in Südkorea) die Hedgefonds-Richtlinie beschließen, auf die sich die EU nach monatelangem Tauziehen Ende Oktober geeinigt hat. Die Richtlinie, die ab 2013 greifen soll, sieht einen „Pass“ vor, ohne den Hedgefonds-Manager ihre Produkte in der EU nicht mehr verkaufen können. Zudem müssen sich die Fondsmanager besser gegen Risken absichern und umfangreiche Informationen an die europäischen Aufsichtsbehörden liefern. Die neue EU-Wertpapieraufsicht Esma erhält konkrete Kontrollbefugnisse. In einem Zentralregister sollen die Daten der zugelassenen Fondsmanager gespeichert werden.

Das Wachstum könnte den Hedgefonds auch zum Verhängnis werden, warnen Kritiker. Denn damit steigen auch die Risken für das ganze Finanzsystem. Die Bankenkrise sei von dem schwach regulierten Schattenbanking, zu dem Hedgefonds gehören, geprägt worden, mahnt der frühere Schweizer Notenbanker Niklaus Blattner. „Verschieben sich dank der Regulierung noch mehr Finanzdienstleistungen in das Schattenbanking, werden sich die Regulatoren gezwungen sehen, ihr Netz vermehrt dort auszuwerfen“, sagt Blattner.

Auf einen Blick

Das Vermögen von Hedgefonds erreichte Ende September 1,77 Billionen Dollar. Institutionelle Anleger wie Stiftungen und Pensionskassen investieren mangels profitabler Alternativen immer mehr in die hochriskanten Finanzinstrumente. Die Regulierung ist keine Bremse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2010)

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