London will Arbeitslose zur Arbeit "verpflichten"

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Die britische Regierung will, dass Langzeitarbeitslose künftig vier Wochen ohne Bezahlung arbeiten sollen, bevor sie eine Sozialhilfe erhalten. Die Botschaft: "Entweder ihr spielt mit, oder es wird schwierig."

Wien. Ein tief hängender Himmel und kalter Regen haben Großbritannien derzeit fest im Griff. Doch für eine bedrückende Stimmung bei vielen Briten sorgt nicht das gewohnte Wetter, sondern die von der liberal-konservativen Regierung beschlossenen Kürzungen im Staatsbudget. Diese Einschnitte sind für zahlreiche Kommentatoren radikaler als jede jemals von der „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher vorgenommene Kürzung.

Öffentliche Haushalte müssen in den nächsten vier Jahren 19 Prozent einsparen, das entspricht 81 Mrd. Pfund (91,8 Mrd. Euro). Für Kritik sorgt die Verteilung auf die jeweiligen Bereiche: Der Verteidigungshaushalt kommt mit Kürzungen von acht Prozent recht glimpflich davon, dagegen entfällt auf die Sozialausgaben mit 21 Mrd. Pfund der Löwenanteil der Einschnitte. So wird das Kindergeld für Familien ab einem mittleren Einkommen gestrichen, die Mieten in Sozialwohnungen erhöht und das Pensionsalter ab 2020 auf 66 Jahre angehoben. Den Kommunen, die die Sozialleistungen auszahlen und viele einfache Jobs vergeben, werden 27 Prozent der Gelder gekürzt.

Arbeiten für die Allgemeinheit

Doch für besonderen Unmut sorgen die Pläne der Regierung, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Geht es nach dem Willen des Sozialministers Iain Duncan Smith, so muss ein Langzeitarbeitsloser künftig zunächst vier Wochen unentgeltlich für die Gemeinschaft arbeiten, bevor er eine wöchentliche Sozialhilfe in Höhe von 65 Pfund (75 Euro) erhält. Wer die ihm zugewiesene Tätigkeit ablehnt, verliert vorübergehend seine Sozialleistungen.

Es gehe darum, Leuten, die Arbeit nicht gewohnt seien, die Erfahrung eines Beschäftigungsverhältnisses machen zu lassen, sagte dazu Außenminister William Hague der BBC. Nach dem Vorschlag von Smith sollen Arbeitslose 30 Stunden pro Woche für lokale Behörden oder Wohltätigkeitsorganisationen arbeiten. Dies solle gleichzeitig jene aus dem System aussortieren, die eigentlich arbeiteten und dennoch Sozialleistungen bezögen. „Die Botschaft lautet: Ihr spielt mit oder es wird schwierig“, zitiert die Zeitung „Daily Telegraph“ den Minister.

Derzeit leben in Großbritannien fünf Millionen Menschen von Arbeitslosenhilfe, 1,4 Millionen haben seit mehr als zehn Jahren keinen Job. Während sich die Opposition mit Kritik eher zurückhält, greift vor allem die Kirche die Vorschläge an. Sie weist darauf hin, dass Arbeitslose oft ältere Männer seien, die früher harte körperliche Arbeit verrichtet hätten und heute schwer einen Arbeitsplatz finden könnten. Oftmals seien Menschen nicht in einer solchen Situation, weil sie böse oder faul seien, „sondern weil die Umstände gegen sie sind“, sagt etwa der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2010)

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