Energie: Russland setzt auf China statt auf Europa

Energie Russland setzt China
Energie Russland setzt China(c) REUTERS (JASON LEE)
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Der Jahreswechsel geht heuer ohne Gaskrieg vonstatten. Zeit für Russland, Europa über die Entwicklung seiner Gas- und Ölexporte nach China zu informieren. Das soll keine Drohung sein, sagt Energieminister Schmatko.

Moskau. Fortschritte können unterschiedliche Formen annehmen. Mitunter die, dass sich keiner mehr für sie interessiert. Es sei ja schon etwas, wenn westliche Reporter nicht mehr nach der Möglichkeit eines Gaskrieges zur Jahreswende fragen, sagte der russische Energieminister Sergej Schmatko am Freitag. Ansonsten bleibe das Problem, dass Russland immer noch auf ein Öl- und Gasexportmonster reduziert werde.

Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel hat Schmatko eine Handvoll westlicher Journalisten in Moskau zusammengetrommelt. Vorbei die Jahre, da man Gaskriege erklären musste. Die neue Story ist China. Die neue Botschaft: Der Energiedialog mit China entwickelt sich seit zwei Jahren prächtig. „Eine neue Herausforderung, ein neuer Markt, ein neuer strategischer, langfristiger Partner“, sagt Schmatko und greift auf ein russisches Sprichwort zurück: „Ein guter Nachbar ist besser als ein schlechter Verwandter.“

Das ist ganz klar nicht gegen Europa gesagt, wie Schmatko, der in Deutschland studiert hat, betont. Der lukrative Absatzmarkt Europa, dessen Gasverbrauch Russland zu einem Viertel deckt, werde auch auf „mindestens zehn Jahre der größte Markt für Russland bleiben“. Allein, die Entwicklung des Exportes in den Osten, mit der Russland schon lange droht, gewinnt an Fahrt. Um die 70 bis 80 Mrd. Kubikmeter Gas werde man in sieben bis acht Jahren jährlich liefern. Rechne man andere neue Märkte in Ostasien hinzu, so werde die Gasexportmenge im kommenden Jahrzehnt zu der nach Europa aufschließen.

Gazprom verlor Marktanteile in Europa

Nach Europa hat Gazprom im Vorkrisenjahr 2008 159 Mrd. Kubikmeter geliefert, was dem Zwanzigfachen des österreichischen Jahresverbrauches entspricht. In der Krise freilich hat Gazprom Marktanteile verloren: Der Absatz liegt 2010 um neun bis zwölf Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Für 2011 sind die Prognosen optimistischer.

Russlands Energiedialog mit Europa gestaltet sich schwierig. Europa will keine einseitige Abhängigkeit von Russland, aber Liefersicherheit, Russland will Nachfragesicherheit. „Europa hat sich mit seinen Perspektiven für den Gasverbrauch nicht festgelegt“, kritisiert Schmatko. Wegen der Unklarheiten über den künftigen Anteil an erneuerbaren Energien würde man eine Bandbreite von 300 bis 700 Mrd. Kubikmeter Gasbedarf im Jahr an Prognosen zu hören bekommen.

So verführerisch der neue China-Vektor präsentiert wird, so viele Stolpersteine hat er. Es fehlen Gasexportrouten. Der Bau der großen Pipeline hängt aber von einer Einigung beim Preis ab. Hier zeigt sich China widerspenstig. 2011 wolle man sich einigen.

Russlands China-Story hängt freilich nicht nur am Gas. Tragende Kraft der neuen Partnerschaft ist der Ölsektor. Russlands größter Ölkonzern Rosneft hat im Vorjahr 15 Mrd. Dollar Kredit aus China erhalten, das sich damit 20 Jahre Öllieferungen sicherte. Auch den Export von Kohle nach China will Russland „in nächster Zeit auf 20 Millionen Tonnen steigern“, erklärt Schmatko.

Zurück nach Europa: Hier hat Russland wenige Tage vor Jahreswechsel wieder eingelenkt. Besser gesagt, wenige Tage vor der morgigen Präsidentenwahl im Transitstaat Weißrussland. Russland verzichtet auf die Exportzölle für Öl und greift dem wirtschaftlich angeschlagenen Langzeitautokraten Alexander Lukaschenko mit 3,7 Mrd. Dollar unter die Arme. Lukaschenko hatte gedroht, sich stärker Europa zuzuwenden und vermehrt Öl und Gas in Venezuela zuzukaufen.

Auf einen Blick

Europa ist einer der größten Abnehmer von Gas aus Russland. Die Prognosen über den Gasbedarf in den kommenden Jahren sind aber sehr unterschiedlich– je nachdem, wie hoch man den Anteil erneuerbarer Energie einschätzt. Russland sieht sich daher verstärkt nach anderen Kunden um, etwa China. Europa will man aber weiter beliefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2010)

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