Bank of America: Angst vor WikiLeaks

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Die WikiLeaks Plattform hat angekündigt, ein „Ökosystem der Korruption“ zu veröffentlichen. Amerikas größte Bank macht sich auf das Schlimmste gefasst. Assange zieht Vergleiche mit dem Enronskandal.

Wien/Stef. Eigentlich hat Julian Assange gar keine Bank beim Namen genannt. Bloß dass seine Plattform im Jänner zum Generalangriff auf eine „große US-Bank“ blasen werde, sagte der Gründer von WikiLeaks vor fünf Wochen sinngemäß. Zehntausende Dokumente würden höchst korrupte Praktiken beweisen und eine Schockwelle durch die Finanzwelt senden, die das betroffene Institut „zu Fall bringen“ könnte.

Als Brian Moynihan an jenem Tag die Nachrichten hörte, griff der Chef der Bank of America sofort zum Telefon. Er rief seinen Risikomanager Bruce Thompson an. Der Grund: Bereits ein Jahr zuvor, Ende 2009, erwähnte Assange in einem Interview, dass WikiLeaks im Besitz riesiger Datenmengen von der Festplatte eines Bank-of-America-Managers sei. Und so kam es, dass nun die ganze Welt davon ausgeht, dass es sich bei der gefährdeten Bank um das größte amerikanische Finanzinstitut handelt.

Wie groß der Respekt vor den Veröffentlichungen von WikiLeaks bei der Bank of America ist, zeigt ein Bericht der „New York Times“. Demnach arbeiten seit November bis zu 20 Mitarbeiter des Instituts unter der Führung des Risikomanagers Thompson daran, Hinweise auf gestohlenes Datenmaterial zu finden. Sie durchstöbern Unterlagen und Festplatten, um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.

Vergleich mit dem Enron-Skandal

Die Bank versucht das Vorgehen als gut durchdachtes Risikomanagement zu verkaufen. „Wir rüsten uns, um im Voraus zu wissen, wie wir reagieren können“, zitiert die Zeitung einen Sprecher der Bank. Als Zugeständnis, über dubiose Geschäftspraktiken der Vergangenheit Bescheid zu wissen, wolle man das allerdings keinesfalls verstanden wissen.

Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass WikiLeaks Dokumente rund um den Kauf der Investmentbank Merrill Lynch veröffentlichen könnte. Die Börsenaufsicht beschuldigte die Bank of America im Vorjahr, den Aktionären hohe Verluste vorenthalten zu haben. Damit habe man sicherstellen wollen, dass der Deal Ende 2008, zum Höhepunkt der Krise, problemlos über die Bühne ging. Mittlerweile hat das Institut freiwillig eine Millionenstrafe bezahlt, um einer Anklage zu entgehen.

Glaubt man hingegen Assange, blüht der Bank weit Schlimmeres als die Bekanntgabe unangenehmer Details zum Kauf von Merrill Lynch. Der WikiLeaks-Chef spricht von Enthüllungen, die „mit dem Enron-Skandal vergleichbar“ sein werden. Der frühere Energieversorger meldete in den USA 2001 die Insolvenz an, nachdem Bilanzen jahrelang gefälscht worden waren. In Finanzkreisen wird ein derartiges Ausmaß im Zusammenhang mit der Bank of America bezweifelt. Die Aktie legte seit Anfang Dezember um knapp 20Prozent zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2011)

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