USA: Der Streit ums Sparen spitzt sich zu

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Obama will künftig für Bildung, Forschung und Infrastruktur mehr ausgeben. Für ein drastisches Sparpaket sei es noch zu früh. Die Opposition droht mit einer Blockade, die in der Insolvenz der USA gipfeln könnte.

Wien. Mit einem Lächeln auf den Lippen blickt Barack Obama in die Kamera. Dann beginnt er mit einem freundschaftlichen „Hi everybody“ die vier Minuten lange Ansprache. Der Tenor des Präsidenten in dem Sonntagnacht vom Weißen Haus ausgesandten Video: Grundsätzlich kämen die USA um ein Sparpaket nicht herum. Für wirklich drastische Einschnitte sei es aber noch deutlich zu früh.

Dass der US-Präsident vor seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Botschaft vorausschickt, ist durchaus üblich. Dass aber schon vor der für Dienstagnacht geplanten Ansprache ein heftiger Streit über deren Inhalt ausbricht, ist sehr ungewöhnlich.

Die Opposition kündigte heftigen Widerstand gegen „halbherzige Sparpläne“ des Präsidenten an. „Wir sträuben uns gegen jeden Extra-Dollar, der ausgegeben wird“, sagte der republikanische Abgeordnete Eric Cantor.

Schulden von 14 Billionen Dollar

Der Streit rund um die gigantische Staatsverschuldung der größten Volkswirtschaft der Welt hat damit einen neuen Höhepunkt erreicht. Obama wird ankündigen, künftig mehr für Bildung ausgeben zu wollen: „Unsere Kinder müssen dem internationalen Wettbewerb standhalten.“ Aktuell schießt der Bund den ebenfalls schwer verschuldeten Staaten jährlich neun Prozent der Gesamtausgaben oder 100 Mrd. Dollar (73 Mrd. Euro) in diesem Bereich zu. Die Republikaner sprechen sich stets gegen eine Erhöhung dieses Betrages aus.

Doch damit nicht genug: Ob Infrastruktur, Forschung oder Gesundheit – die Vorstellungen zwischen Demokraten und Republikanern klaffen weit auseinander.

So hat Obama den Anfang 2009 abgesegneten Stimulus von 787 Mrd. Dollar stets verteidigt. Ein großer Teil der Gelder floss in Infrastrukturprojekte. „Wir haben viele Jobs geschaffen“, sagt der Präsident. Er spricht von drei Millionen, seine politischen Gegner gehen von weit weniger aus. Sie waren von Anfang an gegen das Hilfspaket. „Das Geld hätte besser verwendet werden können“, sagte Fraktionsführer John Boehner.

Für Zündstoff ist also gesorgt, zumal Obama die laufenden Ausgaben für Verkehrsprojekte erhöhen will. Das soll Jobs bringen und die Konjunktur ankurbeln. Die anhaltende Arbeitslosigkeit von über neun Prozent macht den USA nach wie vor zu schaffen.

Die Republikaner wollen gegen diese Pläne mit allen Mitteln vorgehen. Sie sehen „die Zukunft des Landes gefährdet“, wenn die Staatsschuld von 14 Billionen Dollar oder 96 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht reduziert werde. Bislang war von einem Kuhhandel ausgegangen worden: Gleich bleibende Ausgaben für Bildung, Forschung und Verkehr, dafür eine Reduktion der Unternehmenssteuer. Die Körperschaftsteuer von 35 Prozent ist der Opposition längst ein Dorn im Auge. Für eine Senkung benötigt sie Obamas Zustimmung.

Der Deal droht zu platzen

Nun könnte aus dem geplanten Deal allerdings nichts werden. Die Opposition fühlt sich von Obama auf den Schlips getreten. „Dass wir künftig in irgendeinem Bereich mehr ausgeben werden, kann ich mir wirklich nicht vorstellen“, sagte Mitch McConnell, der Anführer der Republikaner im Senat.

Die Pattstellung zwischen den Parteien könnte schon bald weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft haben. Die USA erreichen voraussichtlich im Frühling das Schuldenlimit des Kongresses von 14,3 Billionen Dollar. Stimmen die Republikaner einer Erhöhung nicht zu, droht die Zahlungsunfähigkeit. Ein Horrorszenario, nicht nur für die Vereinigten Staaten.

Dass die Opposition davor nicht halt machen würde, hat sie schon mehrmals angedroht. Und wie ernst es ihr ist, zeigt ein Beispiel aus Arizona: Weil Obamas Gesundheitsreform eine Reduktion der Gesundheitsausgaben für Arme verbietet, hat Gouverneurin Jan Brewer einen offiziellen Wunsch an die Gesundheitsministerin geschickt. Sie will eine Sondererlaubnis, um 280.000 Betroffenen die Krankenversicherung zu streichen. Eine Zustimmung ist unwahrscheinlich. „Aber wir wollen aufzeigen, dass wir uns das auf Dauer nicht mehr leisten können“, sagte Gouverneurin Brewer.

Auf einen Blick

Der US-Präsident wird Dienstagnacht seine Rede zur Lage der Nation halten. Obama wird sich darin für höhere Staatsausgaben in manchen Bereichen aussprechen.

Die Opposition fühlt sich auf den Schlips getreten. Sie will das Defizit möglichst schnell reduzieren. Die US-Staatsschuld liegt aktuell bei 96 Prozent der Wirtschaftsleistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2011)

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