Liechtenstein: Wo 100 Milliarden friedlich schlummern

Liechtenstein Milliarden friedlich schlummern
Liechtenstein Milliarden friedlich schlummern(c) EPA (PETER KLAUNZER)
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Das Fürstentum Liechtenstein hat mehr Stiftungen als Einwohner. Eine zu gründen, ist so einfach, wie ein Sparbuch zu eröffnen: Alles, was man braucht, sind 30.000 Franken und eine Woche Zeit.

Es gibt keinen guten Grund, als Tourist nach Liechtenstein zu fahren. Als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten listet der lokale Tourismusverband das Briefmarkenmuseum auf, und am Rathaus hängt ein steinernes Schild, das an eines der denkwürdigeren Ereignisse in der Geschichte des kleinen Staates erinnert: „Johann Wolfgang von Goethe hielt sich aus Italien kommend vom 1. auf den 2. Juni 1788 in Vaduz auf.“

Nein, wer in Liechtenstein Sehenswürdigkeiten sucht, ist falsch. Den einzigen Grund, in das kleine Fürstentum mit seinen elf Gemeinden zu fahren, findet man in der Fußgängerzone von Vaduz unweit der Touristeninformation. Ein Bau aus grauem Stein mit einem schlichten Eingang, nicht protzig, nicht teuer, nicht ausgefallen. Ein Bau, der in seiner Unauffälligkeit genau zu dem Unternehmen passt, das er beherbergt: die Liechtensteinische Landesbank.

„Grüezi“, sagt freundlich die Dame am Empfang. Das Atrium ist in Holz gehalten, rechts sind kleine Schalter mit kleinen Glasscheiben, alles strahlt Diskretion aus. Die LLB ist die älteste Bank des Fürstentums, heuer am 5. Dezember feiert man 150-Jahre-Jubiläum. Das ideale Institut also, um eine kleine, steuerschonende Stiftung zu gründen.


Milliarden aus Österreich. „Moment, ja, bitte kommen Sie.“ Die Dame führt in einen Besprechungsraum im hinteren Teil des Foyers und bringt wenig später ein einzelnes Blatt Papier in einer Ledermappe: „Wenn Sie das bitte ausfüllen.“ Gefragt wird nach dem Grund des Besuchs – wir kreuzen Stiftungsgründung an –, dem zu veranlagenden Vermögen (fiktive ein bis zwei Millionen Euro) und dem Herkunftsland. Nach Namen wird nicht gefragt, sie werden ohnehin zu Nummern. „Mit diesen Angaben kann ich den idealen Betreuer für Sie finden.“ Offenbar richtet sich die Seniorität des Betreuers nach der Höhe der geplanten Geldanlage, jedenfalls kommt ein sehr junger Mitarbeiter.

Eine Stiftung in Liechtenstein zu haben sei das Selbstverständlichste der Welt, „jeder hat eine“, meinte jüngst der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Er hat eine, ebenso wie etwa 5000 weitere Österreicher. Nach Schätzungen liegen sieben bis zehn Milliarden österreichischer Euro in dem kleinen Fürstentum. Insgesamt verwalten die 15 Liechtensteiner Banken nach eigenen Angaben knapp 100 Milliarden Euro. Der Finanzsektor trägt 31 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei (zum Vergleich: In Österreich sind es ungefähr fünf Prozent) und stellt 17 Prozent der Beschäftigten des Landes.

Eine Stiftung in Liechtenstein ist, wenn man Grasser hört, mehr oder weniger das Sparbuch des 21. Jahrhunderts – zumindest ist es nicht viel schwieriger, eine Stiftung zu gründen, als ein Sparbuch zu eröffnen. Man zahlt die Mindesteinlage von 30.000 Franken (etwa 23.000 Euro) und hat nach etwa einer Woche sein modernes Sparbuch. Mit dem großen Vorteil, dass das Geld kostenlos für einen arbeitet – ohne 25-prozentige Kapitalertragssteuer wie in Österreich: In Liechtenstein bezahlt man bis zwei Millionen Franken lediglich ein Promille Steuer pro Jahr.

Das Stiftungsrecht erlaubt, dass man als Anleger vom Ertrag der Investments profitiert, über die Zusammensetzung des Stiftungsrats entscheidet und auch über die Geschäftsziele der Stiftung. Man kann also weiterhin nach Belieben über sein Vermögen schalten und walten, ohne dabei persönlich in Erscheinung treten zu müssen.

Der große Vorteil: Niemand weiß von der Stiftung. Nicht die Ehefrau, nicht die Kinder, vor allem nicht die Steuer. Der Stifter scheint in keinem Verzeichnis auf. Wer ganz sicher gehen will, schaltet einen der vielen Treuhänder dazwischen, die hier in Liechtenstein überall ihre Dienste anbieten, wie etwa das „Allgemeine Treuunternehmen“ in der Aeulestrasse. Um 4800 Franken übernimmt der Treuhänder die Gründung der Stiftung, um 5000 Franken pro Jahr stellt man einen Stiftungsrat, um 150 Franken pro Stunde übernimmt man die Buchhaltung.


Hohe Steuer.
Eine Stiftung zu gründen mag einfach sein, nur ist sie für einen Supersauberen wenig sinnvoll, wenn man sauber verdientes und versteuertes Geld anlegen will. „Sie sind Österreicher, ja?“, versichert sich der freundliche Mitarbeiter, mittlerweile in einem diskreten Besprechungszimmer im ersten Stock. Als Österreicher bezahle man leider 25 Prozent des Betrages, den man in die Stiftung einbringt, als Steuer an den Finanzminister. Ob es denn nicht eine Möglichkeit gibt, diese 25 Prozent irgendwie nicht zu bezahlen? Der Berater reagiert irritiert und tatsächlich so, als frage ihn zum ersten Mal in seinem Leben jemand nach einer steuerschonenden Transaktion. „Da kann ich Ihnen nicht helfen.“

Er nicht, ein Steuerexperte in Wien schon. „Soll es legal sein, halblegal – oder illegal?“ Letzteres fragt er mehr als Gag. Denn natürlich darf er keine illegalen Tipps geben, könnte es aber, sogar recht detailliert. So geht es jedenfalls nicht: Wer mit einem Koffer voller Bargeld in Liechtenstein anreist, hat mittlerweile Pech und wird möglicherweise wegen Geldwäscherei Probleme bekommen. „Bargeld im Koffer hat man vor einigen Jahren noch genommen, jetzt macht das keine Bank mehr.“ Zu groß seien der internationale Druck und die Sorge um den Ruf.

Die halblegale Methode also. Man gründet eine Stiftung in Liechtenstein, kann das auch dem zuständigen Finanzamt in Wien melden, und diese Stiftung gründet wiederum eine Firma auf Zypern. Die zypriotische Firma liefert beispielsweise Managementdienste für Firmen auf, sagen wir, den Kanalinseln. Dafür bekommt sie, sagen wir, drei Millionen Euro. Die werden dank der großzügigen Finanzgesetze auf Zypern günstig versteuert und landen so in der Stiftung in Liechtenstein. Nun hat man Zugriff auf das Geld. Das Halblegale dabei: Der Stifter darf eigentlich nicht der Leister der Managementdienste sein, und vor allem darf er nicht seinen Wohnsitz in Wien haben.

Völlig legal geht es, indem man beispielsweise seinen Wohnsitz und sein Vermögen nach Bratislava verlegt. Die Slowakei kennt keine Schenkungssteuer und somit auch keine 25-prozentige Stiftungseingangssteuer in Liechtenstein. Auf der anderen Seite muss man eben für einige Jahre in Bratislava leben.


Firma um 2000 Euro. Man kann seine Finanzgeschäfte auch über eine Firma in Liechtenstein abwickeln, die sich schon um 2000 Euro gründen lässt. Nicht ohne Grund spöttelt man, dass es für die 36.000 Bewohner des Fürstentums fast 80.000 Briefkästen gebe. Die meisten haben die Treuhänder. Die nehmen einem nämlich nicht nur die bürokratische Mühen der Firmengründung ab, sondern um ein paar tausend Euro auch die Führung selbiger.

Insgesamt haben mehr als 50.000 Menschen Stiftungen in Liechtenstein, darunter beispielsweise Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, der hier 15 Milliarden Dollar liegen hat – natürlich nicht für sich und seine Familie, sondern um Ikea „ewiges Leben“ zu sichern, wie er kürzlich betonte.

Andere brachten es zwar zur Stiftung samt einer Million Euro Einlage, hatten aber das Pech eines – je nach Sichtweise – ehrlichen oder unehrlichen Bankmitarbeiters, wie beispielsweise der ehemalige Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Seine Stiftung „Devotion Family Foundation“, gespeist vorbei an der Finanz, betrieb er über die LGT-Bank. Ein Mitarbeiter dieser Bank entwendete Bankdaten und verkaufte sie vor einigen Jahren an den deutschen Bundesnachrichtendienst. Zumwinkels Stiftungsvermögen ging eins zu eins an die deutsche Finanz, zudem fasste er eine zweijährige Bewährungsstrafe aus.

Den Reichtum, den die ausländischen Investoren dem 160 Quadratkilometer großen Land gebracht haben, sieht man auf der Straße nicht. Man kann ihn nur an den Preisen erahnen: Ein Mittagsmenü im Ratskeller kostet 19 Euro – immerhin zweigängig –, McDonald's verlangt für einen Big Mac mit Pommes und Cola stolze 9,50 Euro.

Geprotzt wird hier, im Gegensatz etwa zu Monte Carlo, nicht: Auf der Straße kurven keine Ferraris, Bentleys oder Lamborghinis. Mit einem Porsche fällt man schon auf. In der Fußgängerzone („Städtle“) sieht man vielleicht ein paar mehr Anzugträger als in anderen Städten, aber nicht viel deutet darauf hin, dass die Liechtensteiner mit einem Durchschnittseinkommen von 60.000 Euro pro Jahr (Österreich: 28.500 Euro) zu den Top-Verdienern in Europa zählen.


Verein der Gemeinnützigen. Zu verdanken hat man all das dem Fürsten, der hoch oben in seinem Schloss über Vaduz thront und seinem kleinen Reich so großzügige Steuerregeln gab. Dafür muss man eben in Kauf nehmen, dass man bei den Finanzministern und den Steuerbehörden Europas nicht sonderlich beliebt ist.

Der schlechte Ruf der liechtensteinischen Stiftungen hat nun aber ein paar Personen dazu veranlasst, gegenzusteuern. Sie haben sich Ende Dezember entschlossen, in Vaduz eine Vereinigung all jener Stiftungen zu gründen, die tatsächlich gemeinnützig tätig sind, um das Ansehen des Finanzplatzes zu heben. Bisher hat man 25 Mitglieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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