Wirtschaft: Serbiens einträgliche Libyen-Verbindungen

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Seit der Machtübernahme Muammar al-Gaddafis vor mehr als vierzig Jahren pflegt Belgrad eine sehr enge Beziehung nach Tripolis. Bei einem Sturz des Autokraten muss Serbien um seine Rüstungsgeschäfte fürchten.

Belgrad. Es war kein Zufall, dass Muammar al-Gaddafi am Sonntag ausgerechnet dem serbischen Privatsender „Pink TV“ ein Telefoninterview gab: Der frühere jugoslawische Präsident Zoran Lilić soll das Gespräch eingefädelt haben, in dem der Machthaber die gegen sein Land verhängten UN-Sanktionen als „wertlos“ bezeichnete. Außerdem, so Gaddafi: „Es gibt derzeit keine Zwischenfälle, in Libyen herrscht vollständige Ruhe.“

Serbien profitiert auch heute noch von den wirtschaftlichen Kontakten, die Jugoslawien und Libyen seit den 1960ern aufgebaut haben. Belgrads derzeitiges Schweigen zum Volksaufstand in Libyen ist auffällig. „Priorität“ habe nun die Evakuierung der Landsleute, lässt etwa Außenminister Vuk Jeremić wortkarg verlauten.

Von der persönlich sehr engen Beziehung Gaddafis zu dem früheren Jugoslawien zeugen nicht nur die wertvollen Säbel im Belgrader Haus der Blumen, die der Beduinensohn einst dem legendären Landesvater Josip Broz Tito als Morgengabe überreichte.

Schon auf Schulungen Ende der 60er-Jahre an der Luftwaffen-Akademie im bosnischen Mostar soll Gaddafi laut Berichten bosnischer Medien seine Frau Sofija Farkas kennengelernt haben, die sich nach ihrer Hochzeit in Safija umbenannte. Die Bande beider Länder in der Bewegung der blockfreien Staaten gingen mit militärischer und wirtschaftlicher Kooperation einher. In den 80er-Jahren arbeiteten 20.000 jugoslawische Fachkräfte in Libyen: Belgrad führte damals jährlich Güter im Wert von 200 Mio. Dollar in den Wüstenstaat aus.

Enger Kontakt zu Milošević

Libyen war nach dem Zerfall des Vielvölkerstaats neben dem Irak das einzige islamische Land, das in dem Kriegsjahrzehnt der 90er-Jahre engen Kontakt zu dem isolierten Autokraten Slobodan Milošević hielt. Nach dessen Sturz sollten Belgrads neuen Machthaber die einträglichen Bande zu Tripolis bald reaktivieren.

Vor allem in den letzten beiden Jahren hat sich Serbiens proeuropäische Mitte-links-Koalition verstärkt um eine Intensivierung der wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit mit dem auch im Westen wieder hoffähig gewordenen Gaddafi bemüht.

Laut Angaben des Verteidigungsministeriums zählt Libyen derzeit zu den fünf wichtigsten Kunden serbischer Waffenschmieden. Zwar nimmt sich der Wert der Waffenexporte von 17 Millionen Dollar seit 2007 bislang eher bescheiden aus.

Doch die vermehrten Tripolis-Reisen von Verteidigungsminister Dragan Sutanovać in den letzten Monaten sollten nach Medienberichten der Abrundung eines millionenschweren Auftrags zum Bau mehrerer Militärkrankenhäuser und der Modernisierung des libyschen Waffenarsenals dienen: Auf 500 Millionen Dollar bezifferte im November 2010 die Zeitung „Press“ gar das Auftragsvolumen des Rüstungsdeals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2011)

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