Slowakei: "Rettungsfonds ist moralisches Hasardspiel"

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Die Slowakei läuft gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm Sturm und fordert ein Insolvenzrecht für Staaten. Der bisherige Verteilungsschlüssel sei ungerecht und unlogisch gewesen, so Finanzminister Miklos.

Bratislava. Für den slowakischen Finanzminister Ivan Miklos ist es schlicht „ein moralisches Hasardspiel“, wie die Europäische Union mit immer neuen Rettungsmaßnahmen die Steuerzahler Europas zur Kasse bittet. Und obendrein, kritisiert er, schiebe man damit das grundsätzliche Problem der Schuldenkrise nur vor sich her, anstatt es zu lösen: „Zuerst hat man uns gesagt, mit dem Hilfspaket für Griechenland seien die Probleme gelöst. Dann wurde ein Euro-Schutzschirm geschaffen. Und so geht es immer weiter.“ In Wahrheit drehe man damit die Schuldenspirale immer mehr in die Höhe, bis schließlich weder Staaten noch Banken aus der Krise herausfänden.

Seit die christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova im vorigen Sommer ihr Amt angetreten hat, rebellieren sie und ihre Minister ohne Unterlass gegen jede Art von Euro-Feuerwehraktionen. Zuerst verweigerte die Slowakei als einziges Euroland trotzig eine Teilnahme am Griechenland-Hilfspaket und stimmte dem Euro-Schutzschirm nur mit lautem Zähneknirschen zu.

Eben erst attackierte Miklos den neu geplanten Euro-Rettungsfonds ESM so lange, bis er im Bündnis mit Estland und Slowenien zumindest eine Änderung der Lastenverteilung erzwingen konnte: Die Slowakei muss um 17 Prozent weniger zum neuen Fonds beitragen als nach der für den bisherigen Euro-Schutzschirm geltenden Regel.

Der bisherige Verteilungsschlüssel sei ungerecht und unlogisch gewesen, argumentierte Miklos vor seinen EU-Finanzministerkollegen Anfang der Woche. Da er sich zur Hälfte an der Bevölkerungszahl orientiert habe, seien wirtschaftsschwache neue EU-Länder wie die Slowakei oder Estland weit stärker zur Kasse gebeten worden als starke wie Luxemburg. „Das war, wie wenn Sie einem armen Staatsbürger 30 Prozent Einkommenssteuer verrechnen, aber einem reichen nur zehn Prozent“, veranschaulicht er im Gespräch mit der „Presse“.

Doch was Miklos im Schulterschluss mit Premierministerin Radicova (beide gehören zur selben Partei) wirklich will, sind nicht solche kleinen Etappensiege. Ihr eigentliches Ziel ist ein grundsätzliches Umdenken in der EU. Die slowakische Parole lautet: Statt die von „unverantwortlichen Politikern“ angesammelten Staatsschulden auf Europas Steuerzahler abzuwälzen, müssten endlich klare Regeln für eine Restrukturierung von Staatsschulden bis hin zur Möglichkeit eines geordneten Staatsbankrotts beschlossen werden.

Kritik, aber kein Veto in Brüssel

Langfristig führe daran angesichts der sich weiter verschärfenden Schuldenkrise „ohnehin kein Weg vorbei“, meint Miklos und gibt sich optimistisch: „Anfangs sind wir mit dieser Meinung noch ziemlich allein gestanden, aber allmählich sehen das immer mehr Politiker so.“ Für ihn führt kein Weg daran vorbei, die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen: „Nur wenn sie beginnen müssen, einen Teil ihrer unvorsichtig vergebenen Kredite abzuschreiben, kann verhindert werden, dass sie weiter unbedenklich Kredite vergeben.“ Zuvor hat schon Außenminister Mikulas Dzurinda gegenüber der „Presse“ das „Überwälzen übermäßiger Staatsschulden auf die Schultern der europäischen Steuerzahler“ kritisiert. Es verstärke nur weitere Spekulationen.

Und für die „Populisten aller Länder“ werde es damit leichter, „hemmungslos Wahlgeschenke zu machen, ohne an die Folgen für den Staatshaushalt zu denken“. Und Premierministerin Iveta Radicova hat schon im Jänner kritisiert: Euro-Schutzschirme und Ähnliches seien keine geeigneten Instrumente zur Gesundung staatlicher Finanzen. Der Euro sei mit „so einem Pyramidenspiel immer neuer Schuldscheine“ schon gar nicht zu retten.

Ein Veto von Premierministerin Radicova gegen den neuen Mechanismus ESM ist beim am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel trotz aller slowakischen Skepsis nicht zu befürchten. Da die bis 2010 amtierende linksnationale Vorgängerregierung schon den ersten Schritten zugestimmt habe, sagt Miklos, wäre es jetzt nicht realistisch, vom schon fahrenden Zug abzuspringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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