Staat oder privat: Wer soll uns beschützen?

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Kaum eine Branche wächst so schnell wie jene der Sicherheitsfirmen. Für die USA ziehen sie in den Krieg, in Holland dürfen sie Menschen festnehmen. Österreich ziert sich noch, doch wird das auch so bleiben?

Wer die öffentlichen Verkehrsmittel in der Mozartstadt Salzburg benützt, dem kann es passieren, dass zwei Mitarbeiter des Österreichischen Wachdienstes (ÖWD) nach einem Fahrschein fragen. Besitzt man kein Ticket, kann man eine Strafe bezahlen. Oder man bittet die Kontrolleure höflich zur Seite und macht sich aus dem Staub. „Wir dürfen die Leute nicht festhalten“, erklärt Dieter Herbst, Sprecher der privaten Sicherheitsfirma, der in Salzburg die Fahrscheinkontrolle übertragen wurde.

Kaum ein anderes Industrieland ist so restriktiv wie Österreich, wenn es darum geht, das Gewaltmonopol in private Hände zu legen. Für die USA ziehen Söldner in den Krieg, dabei wenden sie auch Waffengewalt an. In Holland und England können Sicherheitsdienste Menschen festnehmen, wenn diese Gesetze brechen. Und in der Schweiz überstellen private Unternehmen Gefangene von einer Haftanstalt in eine andere.Alles Beispiele, für die in Österreich ausschließlich der Staat zuständig ist.Zumindest bis jetzt.


Enormes Sparpotenzial. „Österreich hat einen ziemlich konservativen Ansatz“, sagt Rudolf Gollia vom Innenministerium. Man müsse eben zwischen dem Gewaltmonopol und privaten Befugnissen unterscheiden. Dass Sicherheitsdienste in naher Zukunft etwa Verhaftungen durchführen dürfen, schließt Gollia aus. Allerdings gebe es mehrere Bereiche, wo man über eine „Kompetenzverteilung“ reden könne.

Der Grund liegt auf der Hand, es geht ums Geld: Private Firmen spezialisieren sich, sie organisieren sich straffer und unbürokratischer als der 27.000 Personen zählende Polizeiapparat. Für den Steuerzahler bedeutet eine Auslagerung geringere Kosten. Der Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs spricht von einem Sparpotenzial von 50 bis 60 Mio. Euro pro Jahr. Selbst wenn diese Zahl hochgegriffen sein mag, um einen zweistelligen Millionenbetrag geht es allemal.

Dafür bedürfte es noch gar nicht einer Abtretung des Gewaltmonopols. Militärische Funktionen wollen die größten Sicherheitsfirmen wie Group 4, Securitas oder der ÖWD in Österreich ohnehin nicht übernehmen. „Auch auf die Erlaubnis, Verhaftungen durchzuführen, können wir verzichten“, sagt Bart Adam, Europachef von Securitas, dem weltgrößten Anbieter von Sicherheitsdiensten.

An der Verwaltung und Beaufsichtigung von Gefängnissen – aktuell ist dafür das Justizministerium zuständig– wären die Sicherheitsfirmen aber sehr wohl interessiert. „Wir wollen mit dem Staat zusammenarbeiten, und die Kontrolle soll bei der Regierung bleiben. Aber wir könnten die Gefangenen günstiger beaufsichtigen, ohne dass das Risiko steigt“, sagt Adam.

Auch wenn Österreich im Vergleich zu anderen Ländern immer noch restriktiv ist, geändert hat sich schon einiges. Der Flughafen Wien wird seit 1993 privat überwacht, für die Sicherheitskontrollen ist das Innenministerium nicht mehr zuständig. Auch Asylheime werden von Sicherheitsdiensten verwaltet, bloß wenn ein Ausländer in Schubhaft muss, wird er noch von Polizisten bewacht. Das könnte sich eines Tages ändern: „Derzeit gibt es keine Diskussionen, grundsätzlich halte ich es aber für möglich, die Schubhaft privat zu organisieren“, sagt Gollia vom Innenministerium.

Manager wie Bart Adam hätten zweifellos ihre Freude damit. Für internationale Giganten wie Securitas ist der österreichische Markt mehr als ausbaufähig. 27.000 Polizeibeamten stehen 11.000 Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten gegenüber. In den USA oder in Großbritannien ist die Zahl der privaten Sicherheitskräfte bereits deutlich größer als jene ihrer Kollegen im Staatsdienst.

Bis zu acht Prozent Wachstum. Die 110 in Österreich aktiven Sicherheitsfirmen setzen hierzulande 300 Mio. Euro pro Jahr um. Das jährliche Wachstum liegt bei fünf bis acht Prozent, trotzdem hinkt die Alpenrepublik im internationalen Vergleich noch weit hinterher: Im zehnmal größeren Deutschland liegt die Vergleichszahl bei fünf Mrd. Euro. Der amerikanische Markt ist laut der Denkfabrik „The Freedonia Group“ 60 Mrd. Dollar (42 Mrd. Euro) schwer. Weltweit werden in der Branche mehr als 200 Mrd. Dollar umgesetzt.

Doch wie groß ist das Risiko, sollte auch Österreich dem internationalen Trend folgen und noch mehr Sicherheitsfragen auslagern? Firmen wie Securitas finden mehr als ein Drittel ihrer Mitarbeiter über das Arbeitsmarktservice. Immer wieder wird Kritik laut, dass private Sicherheitsfirmen über schlechter ausgebildete Leute verfügen als die österreichische Polizei.

Für heikle Gebiete, etwa die Überwachung von Gefängnissen, verwende man nur topausgebildete Mitarbeiter, versuchen die Sicherheitsfirmen zu beruhigen. Ministeriumssprecher Gollia wiederum glaubt, dass private Hilfe auch in Zukunft nur in weniger sensiblen Bereichen eingesetzt werden sollte, zum Beispiel in der Verkehrsüberwachung. Ob es tatsächlich dabei bleibt, ist ungewiss. Dient das Ausland als Vorbild, dann eher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2011)

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