Überhitzungsgefahr: Die Schwellenländer begehren auf

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ueberhitzungsgefahr Schwellenlaender begehren(c) REUTERS (UESLEI MARCELINO)
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IWF, Weltbank und G20 geben sich auf ihrer Frühjahrstagung alarmiert und warnen vor einer neuen Krise. Die Schwellenländer beschuldigen den Westen.

Wien/Washington/Ag./Red. Vor nicht einmal zwei Wochen sah es fast so aus, als könnte die Welt aufatmen. Da korrigierte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren Ausblick für die globale Wirtschaft deutlich nach oben. Freilich nicht ohne den Zusatz, dass erhebliche Risken den Aufschwung gefährden. Aber immerhin: Die Erholung sei wahrscheinlich bereits selbsttragend – also nicht mehr vorwiegend auf staatliche Gelder gestützt –, hieß es damals. Das Ende der Krise schien eingeläutet.

Diese Hoffnung machte Weltbank-Präsident Robert Zoellick am heurigen Frühjahrstreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank prompt zunichte: „Wir sind nur einen Schock entfernt von einer ausgewachsenen Krise“, warnte der Weltbank-Chef mit Blick auf die riesigen Schuldenberge in den Industriestaaten, steigende Nahrungsmittelpreise und Mängel im Finanzsektor. Zwar kündigte der Weltwährungsfonds an, Milliarden in die Stabilisierung von Nordafrika stecken zu wollen. Von einer strukturellen Lösung statt Symptombekämpfung war aber nichts zu sehen.

Kritik an niedrigen Zinsen

Entsprechend laut war auch die Kritik, die sich die Industriestaaten von den Entwicklungs- und Schwellenländern gefallen lassen mussten. Denn trotz hoher Wachstumsraten werden auch in jenen Ländern, die nicht dem „Klub der Reichen“ angehören, zunehmend Probleme akut. Schuld daran seien die westlichen Staaten, machten sich die aufstrebenden Wirtschaftsmächte ihrem Ärger in Washington Luft.

Die G24 etwa, ein Zusammenschluss von Schwellen- und Entwicklungsländern aus Asien, Afrika und Lateinamerika, warfen den reichen Ländern eine übermäßig lockere Geldpolitik vor. Die Maßnahmen der Industrienationen (Stichwort: Niedrigzinspolitik) gegen die Krise hätten vielen Entwicklungsländern geschadet. Die Folge seien massive Kapitalzuflüsse, die Gefahr von überhitzten Volkswirtschaften und ein Aufwertungsdruck ihrer Währungen. Auch internationale Organisationen und Analysten stimmen dieser Analyse zu und warnen unisono vor einer Überhitzung der Entwicklungs- und Schwellenländer, als Folge intensiven Kapitalzuflusses aus dem Westen.

„Wenn die Teuerung in den Schwellenländern steigt, ist das nicht nur deren Problem“, warnte Singapurs Finanzminister Tharman Shanmugaratnam, Chef des IWF-Lenkungsausschusses. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega sagte in Richtung USA: „Ironischerweise wollen einige der Staaten, die für die schwerste Krise seit der Großen Depression verantwortlich sind, unbedingt Verhaltensregeln für den Rest der Welt aufstellen.“ Es gehe um ein globales Inflationsproblem mit negativen Folgen für die Zinsentwicklung.

Kritik hagelte es nicht nur für die Niedrigzinspolitik des Westens, sondern auch für die ausufernden Budgetdefizite und Schuldenstände. So forderte etwa die chinesische Delegation von den europäischen Staaten mehr Einsatz bei der Haushaltssanierung: Die Schuldenkrise in Europa sei weiter „ernst“, sagte Chinas Vizezentralbankchef Yi Gang.

Baldige Umschuldung Athens?

Das wissen die Europäer wahrscheinlich ohnehin: Erst am Wochenende wurden erneut Gerüchte laut, wonach Griechenland, Europas erstes Sorgenkind, einer Umschuldung nicht mehr entgehen könne. Berichten zufolge befürworte auch der IWF eine Restrukturierung der griechischen Schulden von 340 Mrd. Euro. Von Athen über Berlin bis Washington dementierten alle Verantwortlichen diese Version.

Am bisherigen Plan, wonach sich Athen schon 2012 wieder teils am Finanzmarkt refinanzieren soll, würden mittlerweile jedoch etliche Staaten zweifeln, hieß es weiter. Kommt es dann zu keiner Umschuldung, stünden der EU erneute Hilfszahlungen ins Haus.

Auf einen Blick

IWF und Weltbank warnen vor einer neuen Krise. Der rasante Anstieg der Teuerung in den Schwellenländern sei eine Gefahr für die gesamte Welt. Schuld daran seien die Industriestaaten mit ihrer Politik des billigen Geldes, die die Inflation erst ausgelöst hätten, machen die Entwicklungs- und Schwellenländer ihrem Ärger Luft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)

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