Frankreich: Sarkozy, der Schrecken der Aktionäre

(c) AP (Laurent Cipriani)
  • Drucken

Ein neues Gesetz soll alle Firmen in Frankreich, die Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten, nun zu einer jährlichen Prämie von 1000 Euro pro Mitarbeiter zwingen. Unternehmer und Ökonomen sind fassungslos.

Wien/Gau. Der Wahlkampf 2012 rückt näher, und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy entdeckt, dass sein Herz für den kleinen Lohnempfänger schlägt. Vor Kurzem besann sich das quirlige Staatsoberhaupt bei einer Diskussion mit Arbeitern in einer Aluminiumfabrik auf eine Idee, die er schon 2009 ausgeheckt hatte: dass eine Firma, die Dividenden an ihre Aktionäre ausschüttet, ihrer Belegschaft deshalb eine Prämie zahlen muss. Mitte voriger Woche präzisierte Regierungssprecher und Budgetminister François Baroin den präsidialen Geistesblitz: 1000 Euro pro Mitarbeiter soll die jährliche Zwangszahlung betragen.

Die Konzerne des Pariser Leitindex CAC 40 schütten heuer 40 Mrd. Euro aus. „Ein guter Teil dieses Geldes“, so will es der Minister, „soll an die Beschäftigten umverteilt werden.“ Das sei nur recht und billig, denn „Tag für Tag erfahren wir von höheren Dividenden und Boni“. Schon im Juni soll das neue Gesetz stehen.

Denn Sarkozy steht unter Druck. Mit dem Spruch „Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen“ hatte er sich als „Präsident der Kaufkraft“ positioniert. Doch dann kam die Wirtschaftskrise, die Löhne stagnierten. Das soll sich nun schleunig ändern. „Jetzt, da wir aus der Krise heraußen sind“, fordert Arbeitsminister Xavier Bertrand, „müssen wir unbedingt dem Gemütszustand der Lohnempfänger Rechnung tragen.“

Renditen jetzt schon niedrig

Einen unmittelbaren Effekt hatte die Ankündigung aber auf die Gemüter von Unternehmen und Ökonomen. Laurence Parisot, die Chefin des Unternehmerverbands Medef, musste erst nach Worten ringen: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, so unbegreiflich sind diese Vorschläge.“ Noch nie habe sie so viel E-Mails und SMS von wütenden Verbandsmitgliedern erhalten, erzählte sie später in einem Interview für „Le Monde“. Ohne Dividenden gebe es „auch keine Investitionen mehr“. Das Gesetzesprojekt lege der Vertragsfreiheit Fesseln an und sei deshalb vielleicht sogar verfassungswidrig. Und es werde Arbeitsplätze kosten.

Besondere Sorgen machen den Kritikern die kleineren und mittleren Unternehmen. Denn das Gesetz soll nicht nur für börsennotierte Aktiengesellschaften gelten, sondern für jede Kapitalgesellschaft, die Gewinne an ihre Anteilseigner ausschüttet. Bei einer Firma mit 300 Mitarbeitern frisst eine Pflichtprämie von 300.000 Euro oft den gesamten Gewinn auf, rechnen Arbeitgeber vor.

Dennoch werden nur neun Mio. Franzosen von der Maßnahme profitieren. Wer in einer Firma arbeitet, die keine Dividenden ausschüttet, geht leer aus. Deshalb lehnen sogar die Gewerkschaften das neue Gesetz als „unsozial“ ab.

Regierung rudert zurück

Am gründlichsten gehen die Volkswirte mit Sarkozys Stimmenfangprojekt ins Gericht. Das Gesetz werde viele Firmen dazu zwingen, auf Dividenden zu verzichten. Dann werden ihnen die Aktionäre davonlaufen und die Eigenmittel fehlen. Denn schon heute sind die Dividendenrenditen mit 3,8 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland und den USA. Damit liegen sie auf dem gleichen Niveau wie fast risikolose zehnjährige Staatsanleihen, sind also alles andere als skandalös hoch.

Zudem machen börsennotierte Konzerne 80 Prozent ihres Gewinns im Ausland. Weil aber 60 Prozent der Aktionäre Franzosen sind, sorgen Dividenden dafür, das erwirtschaftete Geld zurückzuholen.

„Sarkozy ist in eine Falle getappt“, fürchtet Patrick Artus, der Chefökonom der Investmentbank Natixis. Angesichts der Proteste von allen Seiten rudert die Regierung nun kräftig zurück. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde will den Firmen die Prämie mit Steuererleichterungen finanzieren.

Und Baroin spricht statt von der Fixprämie nur mehr von einer „Ermutigung zur Verhandlung“. Die Regierung sei ja, erinnert sich ihr Sprecher plötzlich, „liberal inspiriert“ und wolle keine „verwaltete Wirtschaft“ aufzwingen. Trotz aller kalmierenden Worte: Das Gesetz wird kommen, und der Präsidentschaftswahlkampf ist eröffnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wirtschaftskommentare

L'État ist nicht sehr schlau

Eine Zwangsprämie als Strafe für Dividenden – geht es noch absurder, Monsieur Sarkozy?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.