Tourismus: Einzug in Ägypten

Einzug aegypten
Einzug aegypten(c) REUTERS (PETER ANDREWS)
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Nach der Krise ist fast wie vor der Krise – zumindest in den Ferienregionen. Die Touristen sind ans Rote Meer zurückgekehrt, zu Ostern sind die Strände voll, die Hotels teils ausgebucht.

Es sind friedliche Heerscharen, die dieser Tage in Badeschlapfen und Bikinis in Ägypten einmarschieren. Nachdem der Badetourismus in der Zeit der Revolution und noch Wochen danach komplett darniederlag, füllen sich die Strände wieder. „Ägypten ist ausgebucht, die Flieger sind voll, das Kontingent ausgeschöpft“, sagt Josef Peterleithner, Prokurist und Sprecher des Reisekonzerns Tui. Ähnliches hört man von den Hotels am Roten Meer. Die Urlauber sind zurück, die Sonnenliegen und Betten sind zumindest über Ostern voll. Nach der türkischen Riviera ist die Ferienregion um Hurghada zu Ostern das zweitbeliebteste Reiseziel der Österreicher.

Anfang März wurden die Reisewarnungen aufgehoben, mittlerweile hat sich der Betrieb bei Tui normalisiert. Während ein Urlaub in Ägypten in den ersten Wochen nach der Revolution zu Spottpreisen verkauft wurde, habe es für Ostern kaum mehr Sonderangebote gegeben, sagt Peterleithner. Man fliege wie vor der Revolution nach Plan, seit einigen Wochen wie vor einem Jahr. Langsam wird auch der Rückstand, den das Loch im Februar und Anfang März verursacht hat, aufgeholt.


Die Flieger fehlen. Vorbei und vergessen ist die Krise im Tourismus aber noch nicht. „Wir sind über Ostern ausgelastet, danach wird die Belegung wieder auf 40 oder 50 Prozent fallen“, sagt Alfred Heim, der Manager des Steigenberger Golf Resorts im Lagunenstädtchen El Gouna. Alles in allem sei das Geschäft im Vergleich zum Vorjahr etwa auf die Hälfte geschrumpft. Vor allem die Flüge fehlen. Angesichts des kleineren Angebotes steigen außerdem die Flugpreise.

Vor allem das sei der Grund, dass die Betten noch leer bleiben. Schätzungen nach wurden die Flugkapazitäten nach Hurghada, dem Dreh- und Angelpunkt der Reisen ans Rote Meer, auf etwa 60 Prozent reduziert. Das wird auch über den Sommer so bleiben.

Manch ein Gast, für den es zwar in Ägypten noch ein freies Bett gebe, kommt daher nicht an. „Viele unserer Stammgäste kontaktieren uns und sagen, sie würden gerne kommen, aber finden keinen Flug“, erzählt Brigitte Gobran vom Mövenpick Resort & Spa El Gouna. Aber das Geschäft läuft an, über Ostern sei die Anlage ausgebucht.


Abwarten lautet die Devise. Die Krise ist nicht vorbei, davon berichtet auch Walter Krahl, der Vertriebsleiter der Verkehrsbüro-Gruppe (Ruefa). Im Jänner hat sich Ägypten hervorragend verkauft, seither ist das Geschäft um etwa 45 Prozent zurückgegangen. Dementsprechend wurden die Kapazitäten um etwa die Hälfte gekürzt und auf andere Ziele umgelagert: „Wir beobachten die Lage und warten ab.“ Die großen Profiteure sind Spanien, die Türkei und italienische Destinationen wie Sardinien und Sizilien.

Vor allem die Kulturtouristen sind vorsichtig. Die Pauschaltouristen, die Sonne und Strand suchen, landen in Hurghada oder Sharm El Sheikh und bleiben hunderte Kilometer von Kairo und etwaigen Unruhen fern. Jene, die Kairo, die Pyramidenund das Tal der Könige abklappern, halten sich bei Reisen zurück. Wenngleich die Ruhe einen besonderen Reiz birgt: Keine Warteschlangen in den Grabanlagen und Kolonnen an Reisebussen. Krahl glaubt, dass das Geschäft mit Studienreisen (in Ägypten macht das 20 Prozent aus) im Herbst wieder anspringt.

Die Badegäste sind weniger sensibel, sie lassen sich mit Kampfpreisen locken. Allerdings, an einer Woche am Roten Meer inklusive Flug um 399 Euro verdient niemand. Den größten Teil schlucken die Hotels, sie verlangen einen Unkostenbeitrag, um nicht ganz auszusterben.


Leiden unter Dumpingpreisen. „Die Botschaft war: Ägypten darf nicht aus dem Angebot verschwinden, auch wenn sich das nicht rentiert. Aber das muss sich früher oder später normalisieren“, sagt Krahl. Dem Verkehrsbüro hat die Krise in Ägypten, samt allen Stornos und Umbuchungen, bisher einen „hohen einstelligen Millionenbetrag“ gekostet. Tui hat einmal einen Verlust im Gesamtkonzern von 30 Mio. Euro genannt, Neckermann/Thomas Cook bezifferten die Einbußen ähnlich.

Wie groß die Schäden in den ägyptischen Betrieben sind, das mag noch niemand schätzen. Auch über Entlassungen und Arbeitslose will niemand sprechen. In den internationalen Ketten heißt es, man habe die Mitarbeiter gehalten. Wenn Hotels geschlossen wurden, hätten die Mitarbeiter ihre restlichen Urlaubstage abgebaut.

Fest steht, am schlimmsten getroffen hat der wochenlange Totalausfall die unzähligen ägyptischen Kleinunternehmer – Souvenirhändler, Fremdenführer, Lokalbetreiber oder Tauchlehrer. Ihr Einkommen ist immerhin wochenlang bei null gelegen. Öffentliche Unterstützung? Fehlanzeige.


Tag für Tag ein Millionenschaden. Das ägyptische Tourismusministerium nannte einen Betrag von etwa 30 bis 40Mio. Dollar pro Tag, den der Ausfall des Tourismus das Land gekostet hat. Pro Monat ist das etwa ein Milliarde Dollar. Schließlich haben die 14,7 Millionen Touristen im Vorjahr etwa 12,5Mrd. Dollar (8,59 Mrd. Euro) in Ägypten gelassen. Heuer sollten es um zehn Prozent mehr werden, doch dann kam die Krise. Grundsätzlich soll der Tourismus aber enorm wachsen. Ein Feriendorf und Aquapark nach dem anderen wird am Roten Meer aus dem Wüstenboden gestampft, bald soll auch die Mittelmeerküste Ägyptens touristisch stärker erschlossen werden. 250.000 Gästezimmer gibt es bisher insgesamt. In vier, fünf Jahren soll sich diese Zahl verdoppelt haben, sagt Vize-Tourismusminister Hisham Zaazou.

Gut, dass Touristen Krisen schnell vergessen. Oder sich davon nicht aufhalten lassen. „Der Österreicher hat gelernt, mit Krisen umzugehen“, meint Peterleithner. Immerhin hören wir davon jeden Tag – Erdbeben, Vulkane, Ölpest, Schweinegrippe, Vogelgrippe, Haiattacken? Das härtet ab.


„Ägypten? Jetzt erst recht!“ Die Krise hatte auch einen enorm positiven Wert für den Tourismus – langfristig gesehen. Schließlich war Ägypten als Reiseziel wochenlang und ohne Unterlass ein Thema der Berichterstattung. Ein unschätzbarer Werbewert. Vor allem, weil die Proteste und die Revolution in Österreich als eine positive Wende wahrgenommen wurden und nie ein Tourist zu Schaden gekommen ist.

Das deutsche Reiseportal Opodo hat abfragen lassen, wie die Menschen zu einem Urlaub in einem Krisenland stehen. „Ägypten oder Tunesien? – Jetzt erst recht!“, das gab mit 65 Prozent die Mehrheit der Befragten an. Immerhin bringe man als Tourist Geld in die Länder, das gerade jetzt so dringend benötigt werde. Gut jeder Dritte findet es hingegen unpassend, sich dort die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, wo kürzlich noch demonstriert wurde und Chaos droht. Augen zu, Ohren zu, Urlaub genießen – zu dieser Devise bekennen sich fünf Prozent. Ob sie als Tourist deplaziert sind oder der Bevölkerung helfen, das ist ihnen gleich. Schon nach anderen, massiven Krisen und Katastrophen sind Tourismusdestinationen stärker wiedergekommen als zuvor.

Thailand, zum Beispiel. Nach dem verheerenden Tsunami zu Weihnachten 2004 lag der Tourismus 2005 darnieder. 2006 haben sich die Buchungen bei Tui schon wieder verdoppelt, 2007 sind sie abermals um 70 Prozent gewachsen. „Das Land ist im Fokus, viele kommen auch aus Solidarität“, sagt Peterleithner. Heute floriert der Tourismus in Thailand, trotz der fragilen politischen Lage. Auch Ägypten werde, so seine Erwartung, „touristisch als Gewinner zurückkehren“, schließlich ist Ägypten als mögliches Urlaubsland nun viel stärker in den Köpfen der Österreicher verankert als zuvor.


Der Sommer wird lang. Aber noch lässt der große Aufschwung auf sich warten. Auch, wenn sich der Rückstand gegenüber dem Vorjahr kontinuierlich verringert. „Wir rechnen damit, dass wir mit Beginn der Wintersaison das Vorjahresniveau erreichen werden“, sagt Brigitte Gobran von Mövenpick. „Da nur wenige Flüge vorhanden sind, wird es ein langer Sommer werden“, sagt Hotelmanager Alfred Heim.

Die offizielle Devise? Das Tourismusministerium erwartet, dass man das Vorjahresniveau heuer wieder erreicht. Und dann soll es wieder steil nach oben weitergehen.

Als die Revolution begann, haben die meisten der etwa anderthalb Millionen anwesenden Touristen Ägypten fluchtartig verlassen, die Hotels standen leer.

Nun zieht der Tourismus an, über Ostern sind die Strände voll, die Flüge ausgebucht. Bis sich die Branche erholt hat, werden noch Monate vergehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2011)

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