Laxe Kontrolle von Lobbyisten in Brüssel

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Im Register der EU-Kommission finden sich 85 Interessenvertreter mit Sitz in Österreich. Einige große Unternehmen fehlen jedoch. Zu Recht, wie sie auf Anfrage erklären: Sie betreiben gar kein Lobbying.

Brüssel. Das Lobbying-Register der Europäischen Kommission gleicht einem bunten Gemüsegarten. Kammern und Konzerne sind hier neben Nichtregierungsorganisationen gelistet. Die Armutskonferenz steht neben dem Stromkonzern Verbund, die Wiener Börse neben dem Ökosozialen Forum.

Allein 85 Einrichtungen aus Österreich haben sich eingetragen. Sie alle haben deklariert, in der EU Interessenvertretung zu betreiben. Oder, mit einem weniger geliebten Wort ausgedrückt: Lobbying. Sie haben sich zu einem Verhaltenskodex und damit zu Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit bei all ihren Aktivitäten verpflichtet – freiwillig.

NGOs und Thinktanks müssen neben ihren Lobbyingausgaben auch ihr Gesamtbudget angeben, Wirtschaftunternehmen hingegen nicht. Der Tierschutzverein Vier Pfoten hat 2008 zwischen 300.000 und 350.000 Euro für Lobbying in der EU hingelegt und sein Gesamtbudget mit knapp 27 Mio. Euro beziffert. Österreichs E-Wirtschaft vermeldet Lobbying-Ausgaben zwischen 50.000 und 100.000 Euro im Jahr 2010.

Eher vage lesen sich die Angaben der Österreichischen Bundesbahnen für das Jahr 2009: geschätzte Lobbying-Kosten „weniger als 50.000“. Die globalisierungskritische Organisation Attac gibt zwar ihr Gesamtbudget für 2010 an (mit 300.000 Euro). Sie lässt aber die Frage offen, wie viel davon sie für Lobbying in Brüssel ausgibt.

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Schwammige Vorschriften

Nicht nur der Eintrag in das Register ist freiwillig – auch die Vorschriften zu den Angaben, die ein Unternehmen machen muss, sind nicht einheitlich. Falsche Angaben haben keine rechtlichen Konsequenzen: Der Verband der Europäischen Chemieindustrie Cefic etwa wurde 2009 wegen unglaubwürdiger Angaben aus der Kartei gestrichen.

Er hatte vermerkt, 50.000 Euro jährlich für Lobbying auszugeben, und das bei einem Jahresbudget von 37,9 Mio. Euro. Mehr als den Vorwurf eines Bruchs des Verhaltenskodex und eine vorübergehende Suspendierung aus dem Register handelte sich der Verband nicht ein.

Das mit der Freiwilligkeit wird auch ein Beschluss, der am heutigen Mittwoch im Europäischen Parlament ansteht, nicht ändern. Aber er soll die Anreize für Interessenvertreter stärken, sich ins Lobbying-Register einzutragen. Nach jahrelangen Verhandlungen werden die Register von Kommission und Parlament zusammengelegt.

Die Entscheidung, sich einzutragen, bleibt zwar weiterhin jedem freigestellt. Aber wer sich nicht einträgt, dem wird künftig der Zugang zum Parlament verwehrt. Und das sehen selbst Kritiker als einen erheblichen Anreiz für einen Vermerk.

Für manche hat es diesen Anreiz nicht gebraucht – zum Beispiel die OMV, die in Brüssel mit einem Büro vor Ort ist. Der Öl- und Gaskonzern hat 2009 zwischen 250.000 und 300.000 Euro in EU-Lobbying investiert – für eine Mitarbeiterin und die Kosten für das Büro. Der Kunststoffkonzern Borealis gab im Vorjahr weniger als 50.000 Euro für Lobbying in der EU aus, beim Verbund waren es zwischen 50.000 und 100.000 Euro.

Angaben sind kaum zu überprüfen

Aber nicht alle großen heimischen Unternehmen finden sich im Register. Vergeblich sucht man zum Beispiel die Voestalpine. Das liege daran, dass der Stahlkonzern kein Lobbying betreibe und sich auch nicht von externen Lobbyisten vertreten lasse, so ein Sprecher.

Und auch der Baukonzern Strabag teilt mit: „Wir bezahlen niemanden dafür, dass er versucht, auf politischer Ebene zu lobbyieren.“ Die Telekom Austria hat zwar eine Repräsentanz in Brüssel, aber keinen Eintrag im Lobby-Register der Kommission. Ihre Repräsentantin sei im Register des Europäischen Parlaments eingetragen, sagt dazu die Telekom; in jenem der Kommission deshalb nicht, weil sich die Bestimmungen jährlich änderten. Man warte auf das gemeinsame Register.

Das tut auch der Sparkassenverband. Er beschäftige im Brüsseler Büro zwei Mitarbeiter. Der Eintrag im Kommissionsregister fehlt – noch, denn er sei in Arbeit, heißt es. Der Stromkonzern EVN hat keine Vertretung in Brüssel. „Unsere Interessen werden über die österreichischen Branchenverbände für Strom und Gas wahrgenommen“, sagt ein EVN-Sprecher.

Lobby-kritische Organisationen wie die „Allianz für Lobbying-Transparenz“ (Alter-EU) kritisieren, dass schwer nachvollziehbar sei, ob die im Register angegebenen Zahlen stimmen. Der Erdölkonzern British Petrol etwa habe in den USA Lobbying-Kosten von 7,4 Mio. Dollar für 2009 gemeldet, in der EU aber nur zwischen 400.000 und 450.000 Euro, sagt Erik Wesselius von Alter-EU zur „Presse“.

Die Organisation schätzt die jährlichen Ausgaben für Lobbying in der EU grob auf 750 Mio. Euro, die Zahl der Lobbyisten auf 15.000. Alter-EU lobt das neue, gemeinsame Register als einen wichtigen Schritt – fordert aber ein verpflichtendes Register. Die Kommission lehnt das bislang noch ab.

Auf einen Blick

Die „Allianz für Lobbying-Transparenz“ schätzt die jährlichen Ausgaben für Lobbying in der EU grob auf 750 Mio. Euro und die Zahl der Lobbyisten auf 15.000. Im Lobbying-Register der EU-Kommission finden sich 85 Interessenvertreter mit Sitz in Österreich. Der Eintrag in das Register ist freiwillig. Auch die Vorschriften zu den Angaben, die ein Unternehmen machen muss, sind schwammig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2011)

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