Probleme mit Chinas Billigautobahn

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China sollte Polens wichtigste Autobahn bis zur Euro 2012 bauen. Doch die Strecke zwischen Warschau und Berlin wird zu spät fertig. Auch das Alpine-Stadion verzögert sich.

. . A1, A2, A4 – die Löcher im polnischen Autobahnnetz werden auch im Sommer 2012 noch groß sein. Dann beginnt zwar die Fußballeuropameisterschaft, die Fans werden zwischen den vier Spielorten hin- und herfahren wollen. Doch schon jetzt ist klar, dass dann ein Mega-Verkehrschaos droht. Die Bahn wird keine Alternative sein, denn die Trassenerneuerungen hinken ebenso hinter den Zeitplänen der Warschauer Regierung her wie die Autobahnen. Fliegen wird man zwar in die Austragsorte können, doch der Weg vom Flughafen zum Stadion droht zum kilometerlangen Fußmarsch über Baustellen zu werden. Nur die Stadions sollten fertig werden – und sei es wie damals bei den Olympischen Spielen in Athen, eine Stunde vor Anpfiff.

60 Prozent unter Höchstpreis

Abhilfe schaffen sollten die Chinesen. Im Sommer 2009 hat die China Overseas Engineering Group (Covec) die Zusage zum Bau zweier Abschnitte an der wichtigsten polnischen Straßenbaustelle, der Autobahn A2 zwischen Berlin und Warschau, erhalten. Die Bauvergabe an die Chinesen – die erste für ein solches Großprojekt in der EU – hatte für einen Aufruhr in der europäischen Straßenbaulobby gesorgt. Die chinesische Staatsfirma hatte in ihrer Offerte die Preisvorgabe des polnischen Straßenbauamtes um 60 Prozent unterschritten. Die Offerte sei unrealistisch, hieß es damals unter der Konkurrenz. „Bestimmt wollen auch wir Gewinn machen, wenn auch vielleicht nur einen kleinen“, widersprach Covec-Manager Tan Honghua damals.

Fast 50 Kilometer Autobahn wollte Covec nach eigenen Angaben vor allem mit polnischen Kontraktpartnern für den Schleuderpreis von 325 Mio. Euro bauen. Doch seit Mai steht der Bau praktisch still. Die Chinesen waren dazu übergangen, ihre Subunternehmer nicht mehr zu bezahlen. Diese traten darauf in den Streik. Die fristgerechte Fertigstellung der beiden Abschnitte auf der Strecke Lodz– Warschau ist gefährdet. Ende letzter Woche forderte das Straßenbauamt von den Chinesen die Wiederaufnahme der Bauarbeiten sowie eine Beschleunigung. Covec drohte daraufhin mit einer einseitigen Vertragsaufkündigung. Doch statt sich von der dann fälligen Schadenersatzklage über 180 Mio. Euro beeindrucken zu lassen, klagte Covec über die schlechte Zahlungsmoral des Straßenbauamtes sowie die angeblich unvorhergesehenen höheren Materialkosten.

Das Problem liegt allerdings eher bei der chinesischen Schleuderpreis-Kalkulation. So gab es laut Insidern von Anfang an Probleme mit den polnischen Subunternehmern. Die von Covec vorgeschlagenen Preise seien zu niedrig gewesen. Schnell kam es deshalb zu Verzögerungen am Bau. Laut polnischen Presseberichten schuldet Covec den Subunternehmern bereits rund 30 Mio. Euro. In Geschäftskreisen ist zu hören, die Chinesen würden einfach nachträglich den Preis hochdrücken wollen. „Covec hat nicht verstanden, dass die Vertragsunterzeichnung nicht ein Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen ist, wie sonst in Asien üblich“, vermutet Radoslaw Ryffel vom Polnisch-Asiatischen Studienzentrum. „Die Chinesen sollten eiligst ihr Renommee retten“, fordert Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. Von den Problemen nicht betroffen ist der unmittelbar westlich an den Covec-Abschnitt anschließende 17 Kilometer lange Teilabschnitt D, der von der österreichischen Strabag gebaut wird.

Alpine droht Vertragskündigung

Dennoch könnte auch eine heimische Firma die Terminpläne der Polen ins Wanken bringen. Denn auch beim Bau des Stadions, in dem die Fußball-EM eröffnet werden soll, gibt es Verzögerungen. Die geplante Einweihung im August wurde bereits abgesagt. Konsortialführer für das 315-Mio.-Euro-Projekt ist die österreichische Alpine Bau. Warschau bangt um sein Prestigeprojekt und macht über den Auftraggeber, das Nationale Sport-Zentrum (NCS), Druck auf die Österreicher. So drohte das NCS mit Kündigung des Vertrags, sollte nicht binnen zweier Wochen klar sein, wie alle Baumängel fristgerecht beseitigt werden können.

Dass es bei Gewitter auf die Präsidentenbühne regnet, ist da wohl das geringste Problem. Doch auch die Nottreppen sollen falsch montiert und Pläne für Elektroinstallationen unvollständig sein. Eine Alpine-Sprecherin gab sich auf „Presse“-Anfrage zurückhaltend: Bevor die Verhandlungen mit dem Auftraggeber nicht beendet seien, gebe es keinen Kommentar. Die Euro 2012 sei jedenfalls nicht gefährdet. Zumindest einen Vorwurf der NCS konnte die Alpine offenbar schnell beseitigen: Der Auftraggeber kritisierte kürzlich die mangelnde Bereitschaft der Arbeiter, auch am Wochenende zu arbeiten. Nicht so in der Nacht von vergangenem Samstag auf Sonntag. Da waren in Polens unfertigem Stadion Sonderschichten angesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2011)

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