Griechenland: „So günstig kommen Sie nicht mehr hin“

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Touristen sind von der Krise eher unbeeindruckt. Bereits 2010 ist der Tourismus trotz Streiks und Demos nicht massiv eingebrochen. Die Buchungslage ist im Vergleich zum Vorjahr „sehr gut“.

In der Wiener Niederlassung des griechischen Fremdenverkehrsamtes herrscht stoische Ruhe. Keine Anrufe von besorgten Griechenland-Urlaubern, keine Anfragen zu Stornierungen, keine Skepsis bezüglich der Sicherheitslage in Griechenland. Ganz im Gegenteil: Die Buchungslage sei im Vergleich zum Vorjahr „sehr gut“, sagt Fanni Nunner-Grammatikou vom Fremdenverkehrsbüro.

Auch Reiseveranstalter bemühen sich um Beschwichtigung: Kein einziger Kunde, so heißt es von den Marktführern TUI, Thomas Cook (Neckermann) und Ruefa unisono, habe storniert oder über Probleme geklagt. Nur einzelne Kunden fragen, ob man – angesichts der Streiks – mit pünktlichen Flügen rechnen könne. Die Urlauber in Griechenland bekämen von den Streiks kaum etwas mit.

Lediglich einige Flüge wurden verschoben, die Touristen mussten früher an- oder später abreisen. Man könne sich gut auf die Streiks einstellen, da diese im Voraus bekannt sind. „Selbst, wenn die Fähren streiken, betrifft das unsere Gäste nicht, weil wir auf Betriebe, die sich am Streik nicht beteiligen, ausweichen“, sagt Josef Peterleithner, Sprecher von TUI.

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„Als wäre nichts passiert“

Nicht ganz so gelassen ist Giorgos Nikitiadis, der griechische Vize-Tourismusminister. Nachdem die Bilder des Chaos um die Welt gegangen sind, kam es zu ersten Stornierungen. Stadtbesuche und Kongresse seien abgesagt worden, sagte er im Fernsehen. Zwei Hotels waren wegen der Tränengas- und Rauchschwaden evakuiert worden.

Aber das trifft nur Athen. „Auf Kreta geht alles seinen Lauf, als wäre nichts passiert“, erzählt Ioannis Afukatudis, Österreich-Chef von Thomas Cook. Schließlich sitzen die Touristen auf den 200 Inseln oder den Ferienorten an der Küste und weit weg von Athen – oder besser gesagt: vom Athener Parlament, wo zurzeit die Demonstrationen stattfinden. Athen, so Peterleithner, spiele touristisch trotz Akropolis und Kulturreisenden nur eine minimale Rolle. Was aber, wenn die Athener Stimmung auf die Inseln überschwappt? „Ausgeschlossen“, sagt Fanni Nunner-Grammatikour.

Insulaner können nicht streiken

Gerade die Inselbewohner seien auf den Tourismus angewiesen, „sie können es sich nicht leisten, zu streiken“. Man sei heuer besonders um die Gäste bemüht. Im Bewusstsein, dass man außer dem Tourismus nichts habe. Und die Gäste können sich auf besonders niedrige Preise einstellen: Ein Last-Minute-Pauschalurlaub in Kreta in der ersten Juliwoche kann bereits ab 299 Euro gebucht werden (Ruefa). Zum Vergleich: Urlaube in der Türkei oder ein Sonderangebot in Tunesien kosten mehr. „So günstig wie heuer kommen Sie nicht mehr nach Griechenland“, so Nunner-Grammatikour.

Die Preise dürften auch der Hauptgrund sein, warum Griechenland bei Ruefa die bestgebuchte (Pauschal-)Destination ist. Die Buchungslage liegt fast vier Prozent über dem letztjährigen Schnitt. Auch bei Thomas Cook waren die Buchungen bis vor kurzem deutlich im Plus. Allerdings: Seit die Bilder der Ausschreitungen omnipräsent sind, warten die Urlauber ab, sagt Afukatudis.

Eine ähnliche Situation wie vergangenes Jahr, als Griechenland schon unter der Krise litt. Thomas Cook registrierte 2010 ein Minus von knapp 15 Prozent, TUI verbuchte ein einstelliges Minus. Heuer ist Griechenland wieder klar im Plus – nicht nur der günstigen Preise wegen, sondern auch, weil das Land jene Urlauber, die Ägypten und Tunesien heuer meiden, für sich gewinnen konnte.

Während die Pauschalurlaube heuer also gefragt sind, gilt das für Individualreisen nur bedingt. Für Autotouren etwa werden sich wohl die wenigsten entscheiden. Der Benzinpreis ist in Griechenland von einem Euro auf zurzeit rund 1,70 Euro gestiegen. Auch die Bilder von Autokolonnen vor Tankstellen aus dem Sommer 2010 dürften dazu nicht animieren.

Ein Ausfall wäre verheerend

Die Zahl der Urlauber ist 2010 im Vergleich zum Jahr zuvor um 0,5 Prozent gesunken, die Einnahmen hingegen um sieben Prozent. Das sagen die offiziellen Zahlen des griechischen Tourismusverbandes SETE. Bricht der Fremdenverkehr weg, wäre das verheerend: Gut 17 Prozent des griechischen BIPs stammen aus dem Tourismus, 700.000 Menschen arbeiten in dem Sektor.

Dabei hatte der Tourismus schon Jahre zuvor zu leiden. Vor allem die billigen Angebote in der Türkei brachten die Griechen unter Druck. Um das traditionell hohe Preisniveau auf Hellas konkurrenzfähiger zu machen, wurde die Mehrwertsteuer für die Hotellerie zuletzt von elf auf 6,5 Prozent gesenkt. Die Hotels mussten ihre Preise angesichts der geringeren Nachfrage um bis zu 30 Prozent senken, um ihr Geschäft zu retten.

Afukatudis, selbst gebürtiger Grieche, glaubt aber nicht, dass der Tourismus in Griechenland langfristig leiden wird. „Zumindest heuer wird das Geschäft sicher nicht positiv laufen“, sagt er. Und die viele negative Berichterstattung werde dem Sektor auch noch einige Zeit schaden, aber nicht langfristig. Auch Peterleithner erwartet keinen anhaltenden Image-Schaden. Schließlich gab es in Griechenland, wie auch in Spanien, noch jedes Jahr Streiks.

Wer deshalb einen schon gebuchten Urlaub in Griechenland nun doch nicht antreten möchte, der muss dafür die üblichen Gebühren zahlen. Kostenfreie Storno- oder Umbuchungsmöglichkeiten gibt es derzeit nicht (da keine offizielle Reisewarnung ausgesprochen wurde). Der Großteil dürfte Griechenland aber treu bleiben. Mit 550.000 österreichischen Urlaubern pro Jahr ist das Land die wichtigste Flug-Destination der Österreicher, noch vor der Türkei und Spanien. Beachtet man alle Möglichkeiten der Anreise, verbringen nur in Italien und Kroatien mehr Österreicher ihren Sommerurlaub jenseits der Grenze. „Der Österreicher“, sagt Walter Krahl, Vertriebschef von Ruefa, „ist schließlich ein Griechenland-Fan.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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