„Strombenzin“ weckt neue Hoffnungen für den E-Motor

(c) AP (JENS MEYER)
  • Drucken

Ein Trägermedium für Wasserstoff könnte Batterien überflüssig machen. Der deutsche Forscher Wolfgang Arlt hat die wunderbaren Eigenschaften von Carbazol entdeckt.

Wien/Gau. Wie sieht die automobile Zukunft aus? Vielleicht so: Bei jedem Parkplatz steht eine Steckdose bereit, mit der wir den Akku unseres E-Autos aufladen. Vielleicht aber auch so: Es gibt Tankstellen mit Zapfsäulen, aus denen eine zähflüssige Masse fließt, die nach Diesel riecht. Es gibt Pipelines, Tankschiffe und Tanklaster. Also alles beim Alten? Mitnichten.

Denn der deutsche Forscher Wolfgang Arlt hat die wunderbaren Eigenschaften von Carbazol entdeckt, einer bisher wenig prominenten Kohlenwasserstoffverbindung. Richtig aufbereitet, kann sie große Mengen an Wasserstoff speichern. Einmal im Tank, entzieht ein Katalysator der Trägerflüssigkeit den Wasserstoff, den dann eine Brennstoffzelle in den Strom für den Antrieb des Autos verwandelt.

„Das Zeug ist ein Wundermittel“, schwärmt der deutsche Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba. Sein Ministerium will das Projekt unterstützen: „Hier müssen wir massiv investieren, hier können wir Weltmarktführer werden.“ Deutsche Konzerne scheinen es ähnlich zu sehen: BWM, MAN und Siemens sind mit im Boot, auch Daimler beschäftigt sich „intensiv“ mit dem Thema.

Reichlich viel Euphorie für eine Technologie, die erst in acht Jahren reif für Serienautos sein kann. Doch die Hoffnung hat Gründe. Batterien stoßen bei vielen auf Skepsis: Sie sind noch zu groß, zu schwer und zu teuer, die Ladezeiten sind lang, die Reichweiten gering, und die flächendeckende Versorgung mit Ladestellen erfordert eine neue, teure Infrastruktur. Die Weiterentwicklungen laufen auf Hochtouren, aber ob sich alles lösen lässt, bleibt ungewiss.

Fossil, aber wiederverwertbar

Deshalb haben gerade deutsche Konzerne wie BMW und VW viel Geld in eine alternative Technologie investiert: in Brennstoffzellen, die Wasserstoff in Strom verwandeln. Doch diese Tüfteleien stecken fest, und das liegt am Wasserstoff. Denn der ist explosiv und logistisch heikel: Man muss ihn unter Druck setzen oder auf minus 260 Grad herunterkühlen, damit er in ausreichender Menge im Auto Platz hat. Das neue Trägermedium schafft hier Abhilfe – und nutzt die bestehende Infrastruktur.

Aber auch die Lobbys fossiler Energieträger haben Interesse: Sie bleiben im Geschäft – wenn auch eingeschränkt. Denn Carbazol wird aus Erdöl und Steinkohlenteer gewonnen, aber nicht verbrannt, sondern wiederverwertet. Parallel zum Tanken will man das vom H2 entledigte Carbazol absaugen, um es später wieder anzureichern. Am besten direkt in einem Windpark, mit Sonnenkollektoren oder im Wasserkraftwerk – die irgendwo stehen können, weil das „Wundermittel“ ja so einfach zu transportieren ist. Viele Probleme sind zu lösen. Den Stoff aufnahmefähiger für Wasserstoff zu machen, diesen (bei 200 Grad) im Katalysator freizusetzen, die Oxidation in der Brennstoffzelle, der Transport – all das braucht selbst Energie und lässt die Batterie zur Zeit noch deutlich „grüner“ glänzen. So dürfte, wenn die Machbarkeit gesichert ist, ein Wettlauf starten. Und in zehn Jahren werden wir wissen, ob dann die kleine Batterie oder die optimierte Brennstoffzelle als Erste durchs Ziel gegangen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.