Um die Finanzwelt zu beruhigen, peitschte Regierung ein neues Budget durchs Abgeordnetenhaus. Zustande gekommen ist dieses „Wunder von Rom“ auf Druck von außen wie auf Einsicht von innen.
Rom. Dieses war der erste Streich: Am Donnerstagnachmittag verabschiedete der italienische Senat den Haushaltsentwurf der Regierung. Er sieht Einsparungen und Gebührenerhöhungen im Umfang von insgesamt 47 Milliarden Euro vor. Gemeinsam mit einem bereits beschlossenen Sparprogramm wird Rom in den nächsten drei Jahren 79 Milliarden Euro einsparen. Damit soll das Haushaltsdefizit von aktuell etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf null zurückgefahren werden. Der zweite Streich fand am Freitag statt. Da segnete die zweite Kammer des Parlaments, das Abgeordnetenhaus, das Paket ab.
Es ist die kürzeste Haushaltsdebatte, die Italien je erlebt hat: Innerhalb von fünf Tagen ist sie über die Bühne gegangen, und niemand – weder die Regierung noch die Opposition – hat die Gelegenheit zum Streit, zur Show, zur Selbstdarstellung, zur Verschleppung genutzt.
Zustande gekommen ist dieses „Wunder von Rom“ auf Druck von außen wie auf Einsicht von innen. Zum einen waren es die internationalen Finanzattacken auf Italien, das nun seit einer Woche als „kranker Mann“ der Eurozone dasteht und dessen tatsächlicher oder nur spekulativ vermuteter Zustand schwere Befürchtungen für die Stabilität der europäischen Einheitswährung ausgelöst hat. So hatte neben vielen anderen auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel das Land zu raschen Haushaltssicherungsmaßnahmen aufgefordert.
Zum anderen hatte Staatspräsident Giorgio Napolitano die verschiedenen politischen Lager und die Sozialpartner eindringlich zum „nationalen Zusammenhalt angesichts der schweren Belastungsproben“ gemahnt. Der 86-jährige Napolitano ist mit der zunehmenden Schwäche, der Uneinigkeit und den Auflösungserscheinungen in der Regierung Berlusconi immer mehr zum Regisseur hinter den Kulissen geworden. Früher als viele Regierungspolitiker, die von einer Krise nichts wissen wollten, hatte der hellwache und energische Staatspräsident die Probleme kommen sehen.
Ratingagentur reagiert positiv
Napolitanos Appell zum nationalen Schulterschluss fand sofort Zustimmung bei der Opposition, die sich – erstmals seit langen Zeiten – zu lediglich kurzen Verhandlungen mit Finanzminister Giulio Tremonti zusammensetzte und dann ankündigte, sie werde einer schnellen Verabschiedung des Pakets nichts in den Weg legen.
„Das Ausland“, dem die Botschaft galt, hat immerhin schon reagiert. Die Ratingagentur Fitch lobte das „ehrgeizige Haushaltsmanöver“, mit dem der „Ausblick für Italien stabil“ bleibe.
Experten kritisieren jedoch, dass mehr als drei Viertel der Haushaltskorrekturen auf das Wahljahr 2013 und auf 2014 verschoben werden und dass die konkreten Sparmaßnahmen bis dahin von der Regierung erst formuliert werden müssten. Der Einzige, der auszusprechen wagte, was auf die Italiener zukommen könnte, war der designierte Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi: Wenn sich die Regierung keine stärkeren Strukturmaßnahmen einfallen lasse, sagte er, seien höhere Steuern unausweichlich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. Juli 2011)