Athen bekommt ein neues 109-Milliarden-Euro-Hilfspaket, muss weniger Zinsen für seine Kredite zahlen und hat dafür länger Zeit. Das Strukturproblem des Euro bleibt unangetastet.
Brüssel. Nach neun Stunden zäher Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer war es Donnerstagabend so weit: Griechenland bekommt ein zweites Hilfspaket. Die anderen Euroländer stellen für die Periode 2011 bis 2014 in Summe 109 Milliarden Euro frischer Kredite zur Verfügung.
Erstmals in der zwölfjährigen Geschichte des Euro müssen die privaten Gläubiger des griechischen Staates Verluste aus ihren Investitionen einstecken: 20 Milliarden Euro des neuen Programms werden dafür verwendet, um ausstehende griechische Staatsanleihen im Wert von rund 32,6 Milliarden Euro aufzukaufen. Das wird der Euro-Rettungsschirm EFSF tun. Die Chefs der Euroländer ermächtigen den EFSF zu diesem Zweck, auf dem Sekundärmarkt tätig zu werden. Dadurch ergibt sich eine Reduzierung der bestehenden Staatsschuld von rund 350 Milliarden Euro oder rund 160 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung um rund zwölf Prozentpunkte.
Die Banken, Fonds und sonstigen privaten Gläubiger Athens beteiligen sich zudem auf eine zweite Weise an der Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen. Sie strecken die Fristen für die Rückzahlung von 2014 fälligen Anleihen im Ausmaß von 37 Milliarden Euro. Sie behalten zudem weitere 56 Milliarden Euro, die nach 2014 bis 2020 fällig werden.
Zusammengefasst kann man sagen: Europas Steuerzahler haften für weitere 109 Milliarden Euro an Krediten, die nun über den EFSF bezahlt werden. Bereits seit Mai 2010 haben die Euroländer und der Internationale Währungsfonds (IWF) gemeinsam 110 Milliarden Euro an Krediten laufen.
Die Griechen bekommen zudem mindestens 15, im Notfall bis zu 30 Jahre statt wie bisher siebeneinhalb Jahre Zeit, diese Kredite zurückzuzahlen. Und sie müssen dafür nur einen Zinssatz von rund 3,5 Prozent zahlen statt wie bisher fünf Prozent. „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, denn die Eurostaaten haben gezeigt: Wir sind handlungsfähig", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
Neue Unklarheiten
Allerdings schaffte es Merkel nicht, dieses Ergebnis klar verständlich zu präsentieren. Auf Nachfragen von Journalisten nach dem tatsächlichen gesamten Beitrag der Privatgläubiger konnte sie keine eindeutige Antwort geben. Zudem blieben die Regierungsführer der Eurozone eine Antwort darauf schuldig, wie sie die grundlegende Frage lösen wollen, dass ein Problem in einem Euromitgliedstaat sofort zum Problem der gesamten Währungsunion werde. „Ich habe immer gesagt: Es geht hier nicht um einen spektakulären Befreiungsschlag", sagte Merkel.
Zumindest hat die Eurozone mit dem zweiten Griechen-Paket etwas Zeit gewonnen. Und sie hat sich ein neues Werkzeug geschaffen, indem sie den EFSF die Möglichkeit gegeben hat, Schulden maroder Staaten auf dem Markt zurückzukaufen und damit das griechische Problem nach dem oft zitierten Vorbild des „Brady-Plans" zu lösen. In den 1980er-Jahren standen die US-Banken vor dem Problem, massenhaft südamerikanische Staatsanleihen in ihren Büchern zu haben, die angesichts der Wirtschaftskrise der betreffenden Länder realistischerweise betrachtet mit großen Verlusten abzuschreiben gewesen wären. Das hätte allerdings einen Bankenkrach in den USA bewirkt.
Der damalige US-Finanzminister Nicholas F. Brady löste im Jahr 1989 das Problem, indem er den Banken anbot, die Latino-Bonds zu einem Stichtag zum Marktpreis zu kaufen. Genauer gesagt bot er ihnen den Tausch ihrer Ramschpapiere gegen supersichere „Brady-Bonds" an, also gut handelbare Schuldverschreibungen.
Warten auf die Ratingagenturen
Ob dieses Paket die Hoffnungen der Regierungsführer der Euroländer erfüllt, wird sich heute, Freitag, erweisen, wenn das Brüsseler Verhandlungsergebnis an den Finanzmärkten studiert wird. Vor allem die Reaktion der Ratingagenturen wird mit großem Interesse erwartet. Am Donnerstagabend kursierten in Brüssel bereits Meldungen, wonach das Programm einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands bedeutet. Fraglich ist auch, ob die Senkung der Schuldenquote Griechenlands um zwölf Prozentpunkte die Zuversicht der Investoren in die Schuldentragfähigkeit stärkt. „Was zählt, ist die harte Arbeit der Griechen", hielt Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, fest.