Mit Zypern droht das nächste Euroland in den Sog der Schuldenkrise zu geraten. Der deutsche Finanzminister Schäuble will Schuldenstaaten künftig unter Aufsicht stellen und forderte mehr Härte gegenüber Sündern.
Nikosia/Brüssel/Auer/Ag. Kaum haben EU und IWF dem schuldengeplagten Griechenland mit einem 109 Mrd. Euro schweren Hilfspaket etwas mehr Zeit erkauft, droht schon dem nächsten Mitglied der Eurozone der Sturz in die EU-Schuldenkrise. Die US-Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit Zyperns am Mittwoch um zwei Stufen auf „Baa1“ herab, das Land ist damit nur noch drei Stufen vom „Ramschstatus“ entfernt. Die EU-Kommission lehnte eine Stellungnahme dazu ab. Nach der Explosion auf einem Marinestützpunkt ist das wichtigste Kraftwerk der Insel außer Kraft, und Zypern leidet an Energienot. Moody's fürchtet, dass die Regierung nun dringend notwendige Sparmaßnahmen hintanstellen könnte.
Zypern will Geld von EU
Zypern hat sich seit seinem Beitritt zur Eurozone im Jahr 2008 jedes Jahr im Schnitt mit 11,3 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) im Ausland verschuldet, schreibt das Centrum für Europäische Politik in einem aktuellen Bericht. Das entspricht genau dem Wert, den Griechenland erreicht habe. Wegen der engen Verflechtung der Insel mit dem griechischen Nachbarn haben die großen Ratingagenturen die Bonität des Landes heuer schon einmal herabgestuft.
Die zypriotischen Geldhäuser halten rund fünf Mrd. Euro an griechischen Staatsanleihen. Die Wirtschaft des Landes befinde sich im „Ausnahmezustand“, warnte der zypriotische Zentralbankchef Athanasios Orphanides. Es sei wahrscheinlich, dass auch Zypern Geld aus der Eurozone brauche.
Roubini gibt Euro noch fünf Jahre
Das nährt Zweifel am jüngsten EU-Hilfspaket für Griechenland, an dem sich erstmals auch Banken über Laufzeitenverlängerungen oder Anleiheverkäufe beteiligen müssen. Das Grundproblem der Eurozone werde durch die Umschuldung nicht gelöst, warnte etwa der US-Ökonom Nouriel Roubini in der „Zeit“. Die Beteuerungen, dass die EU das letzte Mal in die Tasche greifen musste, sei „Wunschdenken“. Auch Italien, Spanien, Irland und Portugal bereiten Brüssel derzeit Sorgen. Spätestens in fünf Jahren müsse die EU „sehr harte Entscheidungen treffen“, sagte Roubini und riet Ländern wie Griechenland zum Ausstieg aus dem Euro.
Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte in einem offenen Brief, dass die Eurokrise mit dem vergangenen Wochenende nicht vorüber sei und forderte mehr Härte gegenüber den EU-Haushaltssündern. „Ein Staat mit Problemen, dem geholfen wird, muss im Gegenzug einen Teil seiner Hoheitsrechte an die EU abgeben“, forderte der CDU-Politiker im Interview mit dem „Stern“. Das sei allemal „besser als Schuldenstaaten aus der Eurozone zu verstoßen“.
Rüffel für die EZB
Konkret schwebt Schäuble ein Stimmrechtsentzug vor. Mit einem ähnlichen Vorschlag ist Deutschland allerdings schon im Frühling des Vorjahres auf wenig Gegenliebe innerhalb der EU gestoßen. Es gab damals auch rechtliche Bedenken: So sieht der Vertrag von Maastricht vor, dass Staaten, die ihr Schuldenlimit verfehlen, mit einer Geldstrafe bis zu 0,5 Prozent des BIPs rechnen müssen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) forderte Schäuble unterdessen indirekt auf, sich künftig bei Kritik an der Politik in Europa zurückzuhalten. Hochrangige EZB-Vertreter hatten am Wochenende den Rettungsplan der EU scharf kritisiert und vor einer verstärkten Ansteckungsgefahr gewarnt. Schäuble verteidigte den umstrittenen Beschluss, wonach künftig nicht nur die EZB, sondern auch der Euro-Schutzschirm EFSF, später ESM, Staatsanleihen von Krisenländern kaufen dürfen. Einen „Blankoscheck“ lehne die deutsche Regierung allerdings ab. „Derartige Käufe“ dürften nur dann stattfinden, „wenn die EZB außergewöhnliche Umstände an den Finanzmärkten und Gefahren für die Finanzstabilität feststellt“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2011)