Die von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy präsentierten Vorschläge vermochten Investoren und Ökonomen nicht zu überzeugen. Für Ärger sorgt unter anderem die geplante Finanztransaktionssteuer.
Wien/Ag./Stef. Kaum hatten sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Dienstagabend zum Abschied die Hände geschüttelt, antwortete die Finanzwelt auf ihre Weise auf die präsentierten Vorschläge: Der Dow Jones Index in New York sackte noch Dienstagnacht um knapp ein Prozent ab. Der Euro verlor in Tokio an Wert. Und der deutsche Leitindex Dax eröffnete am Mittwoch knapp zwei Prozent im Minus.
Auch wenn sich die Märkte im Laufe des Mittwochs wieder etwas erholten – der Tenor war klar: Das von der deutschen Kanzlerin und dem französischen Regierungschef präsentierte Maßnahmenpaket zur Löschung des Euroflächenbrandes konnte die Finanzmärkte nicht beruhigen. „Es bleibt eine fundamentale Diskrepanz zwischen dem, was die Märkte brauchen, und dem, was die Politik anbietet“, sagte Jacques Cailloux, Chefökonom bei der Royal Bank of Scotland.
London als Zünglein an der Waage
Für Ärger in der Finanzindustrie sorgte vor allem die von der Politik vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer. Details dazu blieben Merkel und Sarkozy zwar noch schuldig, die Idee dahinter ist aber klar: Finanztransaktionen in der EU sollen künftig besteuert werden. Damit wolle man „Spekulanten, die den Euro gefährden“ bekämpfen. Das träfe vor allem die Frankfurter Börse. Die Aktie des wichtigsten Finanzplatzes der Eurozone brach am Mittwoch um mehr als sieben Prozent ein.
Als Zünglein an der Waage wird sich in dieser Frage London erweisen. Experten gehen davon aus, dass eine Finanztransaktionssteuer innerhalb der Eurozone wenig nützt, wenn nicht auch Großbritannien mit an Bord ist. Bislang stehen die Engländer der Idee skeptisch gegenüber. London würde einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber New York oder Hongkong erleiden, sollte die Steuer eingeführt werden. „Eine Finanztransaktionssteuer in der Eurozone wäre ein Geschenk an die unregulierten Finanzplätze dieser Welt“, verkündete die Deutsche Börse am Mittwoch.
Zu wenig spezifisch blieb das politische Spitzenduo vielen Beobachtern in der Frage der Einführung einer Schuldengrenze in den Euroländern. Deutschland hat eine solche Obergrenze bereits in die Verfassung aufgenommen. Die Bundesrepublik darf sich mit maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung neu verschulden. Ausnahmen gelten nur im Falle von Naturkatastrophen und Rezessionen.
Sarkozy und Merkel wollen ähnliche Regelungen nun in allen Euroländern durchboxen. Eine Realisierung könnte aber Jahre in Anspruch nehmen, weil die Verfassungen in den Mitgliedsländern geändert werden müssten. „Das deutsch-französische Treffen hat keine einzige klare Lösung hervorgebracht“, sagte Nobuyoshi Kuroiwa von der Bank of Tokio.
Deutscher Streit um Eurobonds
Für heftigen Diskussionsstoff sorgte am Tag nach dem Spitzentreffen auch ein Thema, das Sarkozy und Merkel eigentlich gar nicht besprochen haben wollen: die Eurobonds. Offiziell sind die beiden Regierungschefs nach wie vor gegen deren Einführung. Aus Deutschland mehren sich aber Stimmen für eine gemeinsame europäische Staatsanleihe. Etwa von der Linken und den Grünen, die Merkel und Sarkozy Ratlosigkeit vorwerfen: „Sie verschreiben Rezepte für eine Sommergrippe, dabei hat der Euro eine Lungenentzündung“, teilte die Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, mit.
Österreichs Finanzministerin Maria Fekter spricht sich offiziell weiterhin gegen Eurobonds aus. Dem Plan einer europäischen Wirtschaftsregierung steht Fekter abwartend gegenüber. Dazu wisse man derzeit noch zu wenige Details, hieß es am Mittwoch aus dem Finanzministerium.
Auf einen Blick
Die Eckpunkte des Vorschlags von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy:
• Wirtschaftsregierung: Sie soll sich zweimal pro Jahr treffen und aus den Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer bestehen. Ihr vorsitzen soll Herman Van Rompuy, der Präsident des Europäischen Rates.
• Schuldenbremse: Mit einer in der Verfassung festgeschriebenen Schuldengrenze sollen die Euroländer zu stärkerer Budgetdisziplin angehalten werden. Früheste Realisierung: Mitte 2012.
• Finanztransaktionssteuer: Mit ihrer Einführung will die Politik „Spekulanten bekämpfen“. Details stehen noch nicht fest, Vorschläge, etwa zur Höhe der Steuer, sollen bis Ende September erarbeitet werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2011)