Analyse: Börsen bleiben im Rezessionsmodus

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Die US-Notenbank könnte mit Liquiditätsspritzen für eine „Zwischenrally“ sorgen, angesichts matter Konjunkturaussichten sind die Aktien allerdings wohl noch immer überbewertet. Der Boden ist noch nicht erreicht.

Wien/ju. Nach der wochenlangen Kurs-Rutschpartie hat es an den Weltbörsen am Montag so etwas wie ein wenig Hoffnungsschimmer gegeben: Der bevorstehende Sieg der Rebellen in Libyen nährt die Hoffnung auf ein konjunkturstimulierendes Absinken des Rohölpreises. Und das anstehende sprichwörtliche „Gipfeltreffen“ der wichtigsten Notenbankchefs in den Bergen von Jackson Hole nährt die Hoffnung, dass US-Notenbankchef Ben Bernanke seine für Freitag angekündigte Rede zu einer Art „Bergpredigt“ umfunktioniert, bei der er von den Rocky Mountains herab die frohe Botschaft eines weiteren Liquiditätsschubs per Anleiheankaufprogramm (QE3) verkündet. Auch das wäre konjunkturstimulierend.
Womit schon der Kern der Sache angesprochen ist: Die Börsen befinden sich im Rezessionsmodus. Und sie kommen da erst wieder heraus, wenn es Signale gibt, die darauf hindeuten, dass der Abschwung doch nicht so heftig wie befürchtet ausfällt.

Keine Spur von Panik

Was sich in den letzten Wochen an den Märkten abgespielt hat, waren keineswegs hysterische Panikattacken, wie vielfach zu hören und lesen war. Das wäre in einer Handelsumgebung, die schon fast zur Hälfte computerisiert abläuft, auch ziemlich seltsam: Handelsprogramme kennen keine Emotionen.
Die kursbewegenden großen Akteure haben nur ziemlich rational auf immer schlechter werdende Vorlaufindikatoren (etwa Konsum- und Einkaufsmanagerindizes) reagiert und gesehen, dass die trüber werdenden Gewinnaussichten mit ihren Kurszielen nicht mehr zusammenpassten.
Was wir jetzt sehen, sind Börsen in leichtem Rezessionsmodus. Das heißt, dass für die nächste Zeit kleinere BIP-Rückgänge in den USA und der Eurozone insgesamt und eine deutliche Wachstumsabschwächung in Deutschland „eingepreist“ sind.
Ein solches Szenario ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Es zeigt sich ja gerade, dass der Aufschwung der Jahre 2009/2010, der so hoffnungsvoll begonnen hatte, rein notenbankgetrieben war und nicht, wie erhofft, selbsttragend wurde.
Der Börsencrash der vergangenen Woche ist deshalb auch keineswegs überraschend gekommen. Unerwartet war nur die Heftigkeit, mit der es nach unten ging. Immerhin haben die US-Börsen seit ihren Jahreshöchstständen um die 20 Prozent eingebüßt, der deutsche Leitindex Dax sogar an die 27 Prozent.

Ist der Boden erreicht?

Jetzt bewegt die Anleger die Frage, ob damit der Boden erreicht ist. Die Antwort: mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Es ist durchaus denkbar, dass es diese Woche im Vorfeld des Notenbankertreffens eine kleine „Hoffnungsrally“ gibt. Und dass die Kurse um so kräftiger weiter nach unten gehen, wenn Bernanke die Börse enttäuscht. Die jüngste Ankündigung, die US-Zinsen würden bis 2013 niedrig bleiben, hat die erhoffte Wirkung jedenfalls nicht gehabt. Und in Europa hält die Schuldenkrise in den kommenden Monaten auch noch einiges an Kursvernichtungspotenzial parat.
Die wahrscheinliche Variante hat der US-Ökonom Andrew Smithers gestern skizziert: Wenn Bernanke erneut die Liquiditätsspritze zieht, werde es eine kurzfristige Erholungsrally geben. Danach werde es aber erneut deutlich nach unten gehen. Denn US-Aktien seien noch immer um 40 Prozent überbewertet – und deshalb auf diesem Niveau keine Kaufgelegenheit.

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