Eurorettung braucht demokratische Kontrolle

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Die Gegner der Griechenland-Hilfe sind beim deutschen Höchstgericht abgeblitzt. Aber die Richter forderten künftig eine stärkere Einbindung des Parlaments. Die Haushaltsautonomie müsse gewahrt bleiben.

Karlsruhe/Wien. „Die Verfassungsklage ist abgewiesen“, verkündete am Mittwochvormittag Gerichtshofpräsident Andreas Voßkuhle. Es war ein herber Rückschlag für die Gruppe von EU-Skeptikern unter dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, dem Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty und dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider. Sie hatten gegen die Beteiligung Deutschlands an der Griechenland-Hilfe und am Euro-Rettungsschirm geklagt. Ihre Argumentation, die deutsche Regierungsspitze habe mit ihrer Zusage auf europäischer Ebene sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen das Verbot der gegenseitigen Schuldenübernahme im EU-Vertrag verstoßen, wurde zurückgewiesen. Unmittelbar nach dem Urteil stieg der Wert des Euro auf den Finanzmärkten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Spitze der EU-Kommission in Brüssel zeigten sich erleichtert.

Die Karlsruher Verfassungsrichter haben freilich die von den EU-Staats- und Regierungschefs beschlossene Griechenland-Rettung nicht vorbehaltlos durchgewinkt. Sie fordern eine demokratische Grundlage für derart weitreichende Entscheidungen, die den nationalen Haushalt beeinflussen. „Als Repräsentanten des Volkes müssen die gewählten Abgeordneten des Bundestags auch im Rahmen der Europäischen Union die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten“, heißt es im Karlsruher Entscheid. Künftig müsse der Haushaltsausschuss des Parlaments bereits vor der Übernahme von Verpflichtungen seine Zustimmung erteilen. Nur so könne die nationale Haushaltsautonomie gewahrt bleiben. Die Richter machten auch klar, dass ihr Entscheid nicht als Freibrief für künftige Euro-Rettungsaktionen gelten dürfe.

Parallelen zu Wirtschaftsregierung

Im Klartext heißt das Urteil: In einer Notsituation musste die deutsche Regierungschefin zwar gemeinsam mit ihren EU-Kollegen auf diese Weise agieren. Sie musste sich an einer Nothilfe zum Schutz des Euro beteiligen. Demokratiepolitisch ist die Vorgangsweise aber zweifelhaft, weil dabei die parlamentarische Kontrolle umgangen wurde. Das Urteil ist auch ein Fingerzeig auf die rechtlich problematische Konstruktion einer EU-Wirtschaftsregierung. Wenn es nämlich – wie Merkel und der französische Präsidenten Nicolas Sarkozy vorgeschlagen haben – wirklich zu einer Koordinierung der nationalen Fiskalfragen durch die Staats- und Regierungschefs der EU kommt, wäre dies demokratiepolitisch zweifelhaft. Denn damit würde sich der Europäische Rat in Haushaltsfragen über nationale Instanzen hinwegsetzen.

Ungelöst ist freilich die Frage, wie es in Zukunft überhaupt gelingen kann, die nationalen Parlamente einzubinden, wenn Notmaßnahmen ein rasches politisches Handel auf EU-Ebene verlangen. ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas sieht nach dem Karlsruher Urteil einen einzigen Ausweg in der „Vergemeinschaftung“ (gänzliche Übertragung dieser Kompetenzen an die EU-Institutionen) der Krisen- und Wirtschaftspolitik. „Solange der Rettungsschirm nur eine Regierungszusammenarbeit ist, ist es klar, dass die nationalen Parlamente die demokratische Legitimität schaffen müssen. Wenn aber auf EU-Ebene gemeinsam entschieden wird, ist auch das EU-Parlament die demokratische Kontrollinstanz.“

Ähnlich argumentiert EU-Abgeordneter Hannes Swoboda (SPÖ). Das Problem der Vereinbarkeit von Rettungspaketen bzw. einer europäischen Wirtschaftsregierung mit der Demokratie bleibe bestehen. „Europa kann weder auf eine solidarische Wirtschafts- und Finanzpolitik verzichten noch auf demokratische, parlamentarische Entscheidungen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2011)

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