Schuldenkrise: Griechen sollen pleitegehen dürfen

Schuldenkrise Griechen sollen pleitegehen
Schuldenkrise Griechen sollen pleitegehen(c) AP (Kostas Tsironis)
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Griechenlands Wirtschaft wird deutlich stärker schrumpfen als bisher angenommen. Die deutsche Regierung prüft angeblich schon einen möglichen Euroaustritt des Landes.

Wien/Ag./red. Die Griechen in die Pleite entlassen – das galt lange Zeit als tabu. Offiziell ist es das noch immer. Aber hinter den Kulissen dürfte der Gedanke langsam Form annehmen. Wie deutsche Medien berichten, spielt das deutsche Finanzministerium derzeit sämtliche Szenarien durch, die sich im Fall eines Zahlungsausfalls Griechenlands ergeben könnten.

Es gebe zwei Variationen eines griechischen Bankrotts, schreibt der „Spiegel“: In der ersten bliebe das Land in der Währungsunion, in der anderen gebe Griechenland den Euro auf und kehrte zurück zur Drachme. Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte sich dazu nicht äußern. FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler schließt allerdings eine geordnete Insolvenz Griechenlands nicht mehr aus: Um den Euro zu stabilisieren, dürfe es keine Denkverbote mehr geben, schreibt er in einem Gastbeitrag in der „Welt“.
Den Berichten zufolge hofft die Regierung darauf, dass mit dem erweiterten Eurorettungsschirm im Fall des Falles auch ein Bankrott Griechenlands aufgefangen werden könnte. Bislang wurde ein Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone von deutscher Seite kategorisch ausgeschlossen. Nur Minderheiten beharrten darauf, dass die Eurozone besser dran sei, wenn die Hellenen wieder ihre eigene Währung hätten, etwa der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel: Er sprach sich vergangene Woche erneut für eine Teilung der Eurozone in einen Nord- und Südeuro sowie eine Rückkehr der finanzstarken Euroländer zur Hartwährungspolitik aus.

„Werden die Schlacht schlagen“

Mahnende Worte kamen von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Griechenland weiß, dass die Auszahlung der Kredite davon abhängt, dass es seine Auflagen erfüllt“, sagte Merkel. Sie wandte aber auch ein, dass eben nicht über Nacht behoben werden könne, was über Jahre versäumt wurde.

Aber nun wird zunehmend deutlich, dass die Situation in Griechenland nicht besser wird – sondern immer schlimmer. Wie am Wochenende bekannt wurde, wird die griechische Wirtschaft heuer noch stärker schrumpfen als ohnehin schon erwartet: Ging man im Mai noch von einem Minus von 3,8 Prozent aus, wird jetzt schon mit minus fünf Prozent kalkuliert.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou kündigte daraufhin einen „Titanenkampf“ gegen einen Bankrott seines Landes an. Er sei entschlossen, alles zu tun, damit Griechenland ein Euroland bleibe, sagte er. „Wir haben uns entschieden, die Schlacht zu schlagen, um ein Desaster für das Land und sein Volk zu verhindern“, so Papandreou. Griechenland werde die nötigen Reformen durchsetzen – koste es ihn selbst politisch, was es wolle.
Das könnte teuer werden: Am Samstag gingen im Vorfeld von Papandreous Rede in Thessaloniki erneut tausende Menschen auf die Straße, es kam zu Straßenschlachten mit der Polizei.

Dennoch gräbt die Regierung weiter nach neuen Geldquellen: Eine neue Steuer auf Immobilien soll bis Jahresende zwei Mrd. Euro in die Staatskasse spülen. Außerdem sollen Politiker ab sofort ein Monatsgehalt weniger pro Jahr bekommen, kündigte Finanzminister Evangelos Venizelos an.

Nächste Woche wird eine Delegation aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank nach Athen reisen, um die Reformanstrengungen der Griechen unter die Lupe zu nehmen.

Für den IWF könnte es eng werden

Wie am Wochenende durchsickerte, könnte es durch die europäische Schuldenkrise für den Internationalen Währungsfonds selbst eng werden – wenn die Krisenländer nämlich deutlich mehr Geld brauchen als erwartet. Einem internen Dokument zufolge reichen die IWF-Mittel nur für 390 Mrd. Dollar (275 Mrd. Euro) an Krediten. Der Kapitalbedarf der Schuldenländer könnte weit größer sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2011)

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