Full Tilt Poker soll Spieler um Millionen betrogen haben

(c) AP (Isaac Brekken)
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Full Tilt Poker war laut der US-Justiz ein Schneeballsystem. An der Spitze der Pyramide soll der Poker-Superstar Chris Ferguson gestanden sein. Das Bezirksgericht in Manhattan hat die Ermittlungen aufgenommen.

Wien. Einer der einst weltgrößten Internetanbieter für Poker, die seit April geschlossene Seite Full Tilt Poker, war laut der US-Justiz ein gewaltiges Schneeballsystem. An der Spitze der Pyramide soll der Poker-Superstar Chris Ferguson gestanden sein. Der mehrmalige Gewinner der inoffiziellen Weltmeisterschaft „World Series“ habe gemeinsam mit anderen Betreibern des Portals Spieler auf der ganzen Welt um 330 Mio. Dollar (242 Mio. Euro) betrogen.

„Die Betreiber der Seite stopften ihre eigenen Taschen mit den Geldern ihrer loyalen Kunden voll“, gab der New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara Dienstagnacht per Aussendung bekannt. Das Bezirksgericht in Manhattan hat die Ermittlungen aufgenommen. Bestätigen sich die Vorwürfe, dürfte Pokerstar Ferguson schon bald hinter Gittern landen.

Konten in Irland und der Schweiz

Ins Visier der US-Justiz gerieten die Seiten Full Tilt Poker ebenso wie die Konkurrenten PokerStars und Absolute Poker bereits im April. Damals stoppten die Behörden die Internetportale, weil sie Poker in den USA trotz eines seit 2006 bestehenden Verbots weiter anboten.

Im August gab Full Tilt Poker schließlich bekannt, Spielern ihr bestehendes Guthaben nicht auszahlen zu können. 42 Mio. Dollar seien von einer Firma gestohlen worden, über die Einzahlungen der Spieler abgewickelt wurden.

Tatsächlich konnte sich Full Tilt Poker nur dank eines komplexen Konstruktes an Konten in Irland, der Isle of Man sowie der Schweiz am Leben halten. Wegen des Verbots hatten die US-Behörden seit 2006 ein Auge auf amerikanische Banken geworfen, denen die Abwicklung von Ein- und Auszahlungen im Zusammenhang mit dem Pokerspiel verboten ist. Die meisten europäischen Anbieter, wie etwa Bwin.Party, zogen sich deshalb aus den USA zurück.

Full Tilt Poker hingegen blühte am US-Markt auf, wo laut einem Branchendienst etwa zwei Millionen Menschen im Internet pokern. Dank des Rückzugs der Konkurrenz war es Ferguson und einem Dutzend anderer Vorstände der Internetseite möglich, die Kundenzahlen zu steigern. Online-Turniere mit mehr als 50.000 Teilnehmern waren keine Seltenheit. Es floss mehr Geld auf die Seite, als abgezogen wurde. Laut Staatsanwaltschaft ein perfekter Nährboden für die Betreiber, um 330 Mio. Dollar „einfach abzuzweigen“.

Nachdem die Behörden im April die Seite geschlossen hatten, musste der Schwindel auffliegen. Die Spieler wollten ihr Geld zurück. Doch weil die neuen Kunden fehlten, konnten die alten nicht mehr bedient werden – wie bei einem klassischen Schneeballsystem. Ferguson, der beim Pokerspiel stets einen Hut trägt und sich wegen seiner langen schwarzen Haare den Spitznamen „Jesus“ gegeben hat, soll sich zumindest 25 Mio. Dollar abgezweigt haben. Die Behörden vermuten Geheimkonten in der Schweiz.

Bwin.Party könnte profitieren

Für die Seite Full Tilt Poker dürfte die Affäre jedenfalls das endgültige Aus bedeuten. Davon profitieren könnte Bwin.Party, der seit der Fusion von Partygaming und Bwin weltgrößte Anbieter von Glücksspielen. Beobachter erwarten eine baldige Lockerung des Pokerverbots in den USA – wo Bwin.Party dann einen Konkurrenten weniger hätte. Die Aktie legte am Mittwoch um mehr als fünf Prozent zu.

Chris Ferguson hingegen dürfte seinen Ruf, ein eher vorsichtiger und zurückhaltender Spieler zu sein, verloren haben. Mit Full Tilt Poker setzte der promovierte Mathematiker alles auf eine Karte. Eine Karte, die die US-Behörden nun zu stechen drohen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2011)

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