Proteste: "Chaos in Rom", Festnahmen in New York

Proteste Chaos Festnahmen York
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Die Protestwelle "Occupy Wall Street" gegen die Macht der Finanzkonzerne weitet sich auf immer mehr Staaten aus. In Rom kam es zu schweren Ausschreitungen.

Was Mitte September nahe der New Yorker Wall Street als Protest einiger Hundert, oft Vertreter der Mittelschicht, gegen die Macht der Banken und des Finanzkapitals begonnen hat, hat sich am Samstag auf die ganze Welt ausgebreitet: Im Rahmen der „Occupy“-Bewegung wurde in etwa 900 Städten, von Wellington bis Mexiko City, in rund 80 Staaten demonstriert. Mit dem Slogan „Wir sind 99 Prozent!“ attackierten Zehntausende die angebliche Gier der Finanzmärkte und den Neoliberalismus, die Millionen Menschen, zusehends auch gut Ausgebildete in reichen Staaten, in die Armut treiben würden. In Rom kam es dabei zu schweren Ausschreitungen. Auch in New York wurden 70 Demonstranten verhaftet.

Begonnen hatte die samstägliche Protestwelle im asiatisch-ostpazifischen Raum. Im Bankenviertel in Hongkong versammelten sich gut 500 Menschen, in Tokio und Seoul je einige Hundert, sie riefen nach dem New Yorker Vorbild „Besetzt den Finanzdistrikt!“. In Sydney demonstrierten etwa 1000 Menschen vor der Zentralbank, in Auckland und Wellington (Neuseeland) waren es zusammen mehr als 3000. In Frankfurt hielten mehr als 5000 Menschen den Banken Parolen wie „Ihr spekuliert mit unserem Leben“ entgegen; Demos gab es u.a. auch in Berlin, Köln und Stuttgart. In Zürich besetzten etwa 1000 Personen den Paradeplatz im Finanzviertel.

Straßenschlachten in Rom

In Mailand warfen Studenten Eier gegen den Sitz der US-Investmentbank Goldman Sachs und schütteten Müll vor den Eingang. „Die Finanzhaie spielen mit unserem Leben“, hieß es. In Rom protestierten Kapitalismuskritiker gemeinsam mit Gegnern der Regierung von Silvio Berlusconi. Zehntausende, nach letzten Schätzungen mehr als 100.000 Menschen, zogen von der Piazza della Repubblica zur Lateranbasilika. Mit dem Slogan „Wir wollen für diese Krise nicht zahlen!“ wandten sie sich gegen die „Gier der Finanzmärkte“, die Millionen in die Armut treibe.

Die Initiatoren des Protests, darunter die Gewerkschaften, hatten einen „Tag der Zorns“ ausgerufen – und am frühen Abend brach der Zorn bei vielen Demonstranten offen durch: Nahe des Kolosseums zündeten Anarchisten Polizeiautos und Mülleimer an, als die Polizei einschritt, gab es schwere Zusammenstöße, vor der Lateranbasilika wurden Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt. Die „Presse“-Korrespondentin vor Ort gab an, sie habe solche Exzesse in Rom seit fast 25 Jahren nicht gesehen.

"Rom hat ein Inferno erlebt"

"Straßenkämpfe und Terror: Rom im Chaos", kommentierte auch die römische Tageszeitung "La Repubblica". "Rom hat ein Inferno erlebt. Wer wird für all dies zahlen?", fragte die Tageszeitung "Corriere della Serra". Die Bilanz der Ausschreitungen: 70 Verletzte, Millionenschäden durch Verwüstungen und zwölf Verhaftete. Ministerpräsident Silvio Berlusconi kündigte bereits an, Gewalttäter würden streng bestraft.

Kühler ging es in London zu. Bruce Chapman, einer der Demonstranten, war am Morgen mit seiner Frau vom vier Stunden entfernten Exeter angereist. „Ich demonstriere hier für mindestens eine Woche“, rief er. Schlafsack, Isomatte und Zelt hat er dabei, dazu das Schild: „Wenn die Märkte so frei sind, wieso zahlen wir dann so viel?“

Manager-Boni statt Jobs gerettet

Eigentlich wollten die Tausenden Demonstranten auf dem Paternoster Square vor der Börse campieren. Aber die Anlieger gaben das Privatgrundstück nicht frei, berittene Polizisten verteidigten den Eingang vor der Börse, den die Demonstranten als Symbol des „corporate greed“, der „unternehmerischen Gier“, gewählt hatten. In Großbritannien geben die aktuellen Arbeitslosenzahlen von 2,57 Millionen, die höchsten seit 17 Jahren, dem Protest einen zusätzlichen Beigeschmack. Viele Banken wurden seit der Finanzkrise gerettet, das so entstandene Haushaltsdefizit wird durch tiefe Ausgabenkürzungen gesenkt, während der Finanzsektor weiterhin Gewinne scheffelt und Boni an Manager ausschüttet.

In Wien gab es einen recht unorganisierten Protestzug vom Westbahnhof zum Heldenplatz, es wurde viel gesungen und getrommelt. „Revolution für echte Demokratie“ hieß es auf Plakaten oder „Arbeitslose aller Länder vereinigt euch“ oder „Wir retten jetzt die Welt von den Banken“. Vermutlich nahmen mehr als 2000 Menschen teil.

Festnahmen in New York

In den USA wurden rund Dutzende „Occupy“-Demonstranten festgenommen, darunter in Denver, Seattle und New York. Die meisten Festnahmen gab es nahe dem Times Square, als sich eine Gruppe von Demonstranten nach Angaben der Polizei ihrer Aufforderung widersetzte, eine Nebenstraße freizumachen. Beamte mit Helmen und Schlagstöcken und berittene Polizisten drängten die Menschen zurück. Dabei hat es nach Angaben von Augenzeugen auch Verletzte gegeben.

Die Polizei nahm auch 24 Wall-Street-Demonstranten in Gewahrsam, nachdem diese in eine Filiale der Citibank geströmt waren, um ihre Konten in einer gemeinsamen Aktion aufzulösen. Der Filialleiter forderte die Gruppe nach Angaben von US-Medien auf, die Bank zu verlassen. Die Demonstranten weigerten sich allerdings und wurden in der Geschäftsstelle festgesetzt.

Die Occupy-Bewegung

Der seit Mitte September dauernde Protest richtet sich gegen die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Mittelschicht und die ärmere Bevölkerung. Die „Occupy“-Teilnehmer sagen, sie fühlten sich als die 99 Prozent des Volkes, die von dem „einen Prozent“, den Reichen und Mächtigen, hintergangen und ausgebeutet würden.

Fotos: www.diepresse.com/demo

("Presse", Red.)

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