US-Kommune legt Rekordpleite hin

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Jefferson County stolpert über seine Kreditgeschäfte mit JP Morgan und meldet den bisher größten Bankrott, mit 4.100.000.000 Dollar Schulden, einer US-Kommune an. Auch die BayernLB ist betroffen.

Wien/Jil/Ag. Es ist die größte Pleite einer kommunalen Verwaltungseinheit in den USA bisher: Jefferson County im Bundesstaat Alabama hat knapp 650.000 Einwohner und 4.100.000.000 Dollar Schulden (drei Milliarden Euro). Am Mittwoch musste die Kommune Bankrott anmelden, nachdem die Refinanzierung eines Drei-Milliarden-Dollar-Kredits nicht geklappt hat.

Die Geschichte des US-Bezirks erinnert an die abenteuerlichen Geldgeschäfte, auf die sich auch österreichische und deutsche Gemeinden in den Jahren vor der Finanzkrise eingelassen haben. Im Fall von Jefferson County war es eine komplizierte Vereinbarung zur Finanzierung von Kanälen und Kläranlagen, die dem County am Ende finanziell das Genick brach. In Birmingham, der größten Stadt Alabamas, hat man deshalb Bankrott nach Kapitel9 angemeldet – die Regelung verschafft den Schuldnern mehr Handlungsspielraum gegenüber den Gläubigern, als es zum Beispiel ein Bankrott nach Kapitel 11 tun würde. Dies ist die Bankrott-Vorgehensweise bei Privatunternehmen.

Kreditkonstrukt kam von JP Morgan

Jefferson County dürfte auch jede Unterstützung vonseiten des Rechts recht sein, denn die Pleite ist das Ergebnis von sechs Wochen Verhandlungen, die am Ende scheiterten – und von vielen Jahren, die von undurchsichtigen Geschäften geprägt waren. Die Pleite trifft auch die BayernLB, die mit 52 Millionen Dollar an Forderungen zu den größten Gläubigern des County zählt. Wie viel an Forderungen der größte Gläubiger, JP Morgan, noch ausständig hat, ist unklar – die Rolle der Großbank bei der Gestaltung des komplizierten Kreditkonstrukts rund um die Kläranlagen dürfte aber erheblich gewesen sein. Und nicht ganz koscher. Zwei frühere Banker von JP Morgen wurden vor der Aufsichtsbehörde SEC angeklagt, bis zu acht Millionen Dollar an Schmiergeldern an politische Vertreter des County verteilt zu haben. Und die Bank selbst hat sich wegen derselben Sache bereits eine außergerichtliche Einigung in der Höhe von 722 Millionen Dollar mit der SEC erkauft. Der frühere County-Kommissar Larry Langford wurde der Bestechung überführt – zwei weitere Beteiligte bekannten sich schuldig. Die Ironie an der Geschichte: Das Kreditgebäude rund um die Kläranlagen hatte JP Morgan mit der Ankündigung installiert, dem County Geld zu sparen. Dann kam die Finanzkrise, und jetzt ist aus den Schulden für die Kläranlagen ein Albtraum geworden, der Jefferson County in den Bankrott getrieben hat.

In diesem Jahr gab es bereits zwei große Pleiten von US-Bezirken: Central Falls in Rhode Island im August und Harrisburg, Pennsylvania. In den USA gibt es rund 90.000 Emittenten von Wertpapieren. Die als Municipalities bezeichneten Gebietskörperschaften (wie Jefferson County) sind unter der Ebene der Bundesstaaten angesiedelt und umfassen rund 36.000 Gemeinden. Dazu kommen noch 50.000 Zweckgemeinschaften, die oft Versorgungsaufgaben für größere Gebiete wahrnehmen. Stagnierende Steuereinnahmen und wachsende Ausgaben führen nach dem Ausbruch der Finanzkrise zu einem weiterhin schnellen Anstieg der ohnehin schon hohen Verschuldung. Bis September gab es in den USA 42 Bankrotte von Municipalities, die fast eine Milliarde Dollar Schulden hatten. In den ersten neun Monaten des Jahres 2010 waren es noch 79 Pleiten in der Höhe von fast drei Milliarden.

Die Finanzanalystin Meredith Whitney hat es in den USA bereits zu überschaubarem Ruhm gebracht, weil sie lautstark vor einer Dominoreaktion bei den Muni-Schulden warnte. Whitney geht von Verlusten von „hunderten Milliarden Dollar“ durch Kommunenpleiten in den kommenden Jahren aus. Auch der Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini hat kürzlich vor den Folgen reihenweiser Pleiten der überschuldeten Kommunen gewarnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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