Berlin: Gerücht über „Elite-Bonds“ der AAA-Länder

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Um die Reform der Eurozone samt starker Budgetaufsicht zu beschleunigen, lässt die deutsche Regierung Meldungen über eine Spaltung der Eurozone in Norden und Süden streuen.

Brüssel. Wenige Tage vor dem nächsten wichtigen EU-Gipfeltreffen am 8. und 9. Dezember erhöht Deutschland den Druck in der Debatte um die Reform der Eurozone. Am Montag berichtete die Zeitung „Die Welt“ unter Berufung auf ungenannte Quellen, die sechs verbleibenden Mitglieder der Eurozone, die noch die Spitzen-Bonitätsnote AAA haben, würden gemeinsame „Elite-Bonds“ planen.

Unter der Führung Deutschlands würden demzufolge Finnland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Österreich ihre Schuldenaufnahme zusammenlegen. Sie würden hoffen, so nur einen einheitlich niedrigen Zinssatz von zwei bis 2,5 Prozent an ihre Investoren zahlen zu müssen. Das solle zur Beendigung der Spekulation gegen die Staatsanleihen der verbleibenden AAA-Euroländer führen und der sechsköpfigen „Elite“ Spielraum für eventuelle weitere Rettungsaktionen in den anderen elf Mitgliedsländern der Eurozone geben, die nicht zu diesem „Kerneuropa“ zählen.

De facto wäre das eine Teilung der Eurozone in Norden und Süden, in Elite und Rest. Gleich nach dem Auftauchen dieses Berichts auf der Internetseite der „Welt“ am Montagmorgen dementierte ihn das Finanzministerium in Berlin. „Es gibt keine Planungen für AAA-Bonds oder Elite-Bonds, wie in dem Artikel dargestellt. Wir arbeiten intensiv an einer Stabilitätsunion.“

Juncker: „Sehr schlechte Idee“

Diesem Dementi zum Trotz sorgte die Meldung europaweit für Aufregung. „Entweder haben wir ein Arrangement mit 27 Staaten, und das ist immer die beste Lösung, oder wir haben spezifische Arrangements zwischen den 17 Ländern der Eurozone. Aber die 17 Mitglieder der Eurozone auch noch zu teilen, scheint mir eine sehr schlechte Idee zu sein“, sagte Jean-Claude Juncker, Luxemburgs Ministerpräsident und Präsident der Euro-Gruppe der 17 Finanzminister der Euroländer. Die neue dänische Ministerpräsidentin, Helle Thorning-Schmidt, forderte, die EU-Länder müssten zusammengehalten werden.

Den Ärger der anderen EU-Regierungen mag Berlin verschmerzen, doch ein wesentlicher Konstruktionsfehler der „Elite-Bonds“ ist schwer aus der Welt zu räumen, denn: Was ist, wenn Frankreich aus dem erlesenen Klub der AAA-Länder kippt? Und was passiert mit Europas größtem wirtschaftlichen Sorgenkind, Italien, wenn es plötzlich in der zweiten Klasse der eher nicht so kreditwürdigen Staaten landet? „Ich sehe nicht, wie das langfristig konsistent ist mit der Mitgliedschaft Italiens in der Eurozone – außer, man führt umfassende Transferzahlungen ein“, warnte Guntram Wolff vom Brüsseler Thinktank Bruegel im Gespräch mit der „Presse“.

Wieso also lässt Merkel solche Gerüchte aufkommen? Mit wissenschaftlicher Genauigkeit lässt sich diese Frage nicht beantworten, aber sicher ist, dass die Deutschen in der Schuldenkrise kraft ihrer starken wirtschaftlichen Lage auf dem längsten Ast sitzen. Sie versuchen, diese Stärke in eine günstige politische Verhandlungsposition umzumünzen. Merkel als „Zahlmeisterin Europas“ will und muss – aus Rücksicht auf den wachsenden Ärger der deutschen Bürger – bei der nun anstehenden Reform der Eurozone möglichst weitreichende Regeländerungen zur Gewährleistung budgetärer Disziplin in ganz Euroland einführen. Daher tragen deutsche Politiker und sonstige Regierungsvertreter dieser Tage ständig die „Stabilitätsunion“ als Ziel und Forderung vor sich her, also eine Verstärkung der Aufsicht über die nationalen Budgets in der Eurozone, die bis hin zur Schaffung des Amtes eines „EU-Sparkommissars“ gehen soll, der nationale Haushalte, die zu hohe Neuschulden aufweisen, blockiert. So hat es die CDU, Merkels Partei, schon vor zwei Wochen bei ihrem Parteitag in Leipzig beschlossen.

Moody's droht allen Euroländern

Wie so ein tiefer Eingriff in die nationale Budgethoheit gegen den Willen des betreffenden Staates und seines Parlaments funktionieren soll, hat allerdings noch niemand erklärt. Und so läuft die Uhr gegen die Euroländer. Am Montag warnte die Ratingagentur Moody's alle 17 vor einer Herabstufung ihrer Bonität, wenn sie sich nicht auf eine grundlegende Reform einigen. „In der Frage des politischen Rahmens steht die Eurozone an einem Kreuzweg, der entweder zu größerer Integration oder zu größerer Fragmentierung führt“, hielt Moody's fest.

Die nächsten Schritte

Dienstag, 29. November: Die 17 Finanzminister der Eurogruppe treffen sich in Brüssel. Sie versuchen, den Euro-Rettungsschirm EFSF zu stärken. Dessen „Hebeleffekt“ ist derzeit wegen des Misstrauens der Anleger limitiert.

Donnerstag, 8. Dezember: Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich abends in Brüssel zum Gipfel. Sie werden Grundzüge einer EU-Vertragsreform beraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2011)

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