Schuldenkrise: USA drängen Europa zum Gelddrucken

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US-Präsident Obama fordert von der EU-Führung entschlossenes Handeln gegen die Krise. Eine der zentralen Forderungen der Amerikaner, die Ausweitung des Rettungsschirms, kommt aber nicht von der Stelle.

[WASHINGTON/BRÜSSEL] José Manuel Barroso hatte Dringenderes zu tun, als im St. Regis Hotel in Washington eine schöngeistige Grundsatzrede über Europa zu halten. Kurzfristig sagte der EU-Kommissionspräsident nach dem EU-USA-Gipfel im Weißen Haus die Ansprache vor der politischen Elite ab, um so schnell wie möglich nach Brüssel zurückzueilen. Die sich täglich zuspitzende Eurokrise fordert seine ganze Aufmerksamkeit. Am Dienstag berieten die Euro-Finanzminister die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Eine Maßnahme, die auch die USA mit steigender Vehemenz fordern.

US-Präsident Barack Obama sicherte der EU zwar die volle Unterstützung bei der Überwindung der Eurokrise zu. Angesichts der eigenen angespannten Finanzlage würden die USA freilich keine wie immer geartete Finanzhilfe leisten, wie William Kennard, US-Botschafter bei der EU, feststellte. Obama forderte die EU-Führungstroika José Manuel Barroso, Herman Van Rompuy und Catherine Ashton hingegen erneut zu Entschlossenheit auf. Und er drängte insbesondere die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu einer beherzten, mutigen Politik.

Hinter den Kulissen plädiert die US-Regierung für ausgeweitete Kompetenzen der Europäischen Zentralbank (EZB) nach dem Vorbild der US-Notenbank - sprich die Möglichkeit, die Gelddruckpresse anzuwerfen. Washington verweist darauf, mit welch drastischen Mitteln es im Herbst 2008 den Kollaps der US-Banken abgewendet habe. Sie will das als Leitfaden für die EU verstanden wissen. Joao Vale de Almeida, EU-Botschafter in den USA, konnte sich einen Seitenhieb gegen die US-Belehrungen nicht verkneifen: „Wir haben mit den Nachwehen der Krise von 2008 zu kämpfen. In einer globalisierten Wirtschaft sitzen wir alle in einem Boot."

Erschwert wird die Lage der Europäer freilich dadurch, dass ihre erhoffte Trumpfkarte zur Stabilisierung der Schuldenkrise vorerst nicht sticht. Denn der Euro-Rettungsschirm EFSF wird fürs Erste keine so starke Hebelwirkung erzeugen können, wie es die Chefs der Eurostaaten noch Ende Oktober erwogen haben. Zur Erinnerung: Am 26. und 27. Oktober haben sie angekündigt, dass die EFSF ihre verfügbaren Mittel von bis zu 440 Milliarden Euro gleichsam als Ausfallsversicherung für den Kauf von Staatsanleihen wackeliger Euroländer einsetzt. Der Rettungsschirm würde also den Ausfall von 20 bis 30 Prozent des Betrags im Fall der Zahlungsunfähigkeit ersetzen. Auf diese Weise könnte die EFSF das Vier- bis Fünffache ihres Grundbetrags hebeln.

Das funktioniert derzeit aber nicht, weil die Anleger, bildlich gesprochen, im tiefen Misstrauen vor der politischen Lösungskompetenz der Europäer mit beiden Händen Staatsanleihen aus ihren Büchern schaufeln. Die EFSF müsste vermutlich mindestens 30 Prozent oder mehr des Kaufpreises der Anleihen versichern.

Auch die zweite Variante zur Erhöhung der Schlagkraft des Rettungsvehikels kommt nicht vom Fleck. Sie sieht die Schaffung von Sonderfonds vor, die privaten und offiziellen Investoren aus Drittstaaten die Möglichkeit geben, gegen stabile Renditen an der Stabilisierung von Euroland mitzuwirken.

Geld für Griechenland und Irland

Unterdessen haben die Euro-Finanzminister erwartungsgemäß Dienstagabend die Auszahlung der sechsten Hilfstranche an Griechenland in der Höhe von acht Milliarden Euro beschlossen. Bis Mitte Dezember muss das Geld in Athen sein, sonst ist das Land pleite. Die acht Mrd. sind Teil des ersten Hilfspakets an Griechenland im Umfang von 110 Mrd. Euro. Ebenfalls beschlossen wurde die Auszahlung der vierten Hilfstranche an Irland. Dabei geht es um 4,2 Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2011)

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