Obama-Berater: Euro gefährdet Frieden in Europa

(c) EPA (Matthew Cavanaugh)
  • Drucken

Der Euro sei direkt verantwortlich für die Schuldenkrise, sagt Harvard-Ökonom Feldstein. Die Währung würde den Frieden nicht sichern, sondern Konflikte schüren.

Wien. Geht es um die Krise des Euro, sind Politiker nicht um dramatische Worte verlegen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat schon mehrmals gewarnt: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ Von vielen Politikern und Notenbankern wird hingegen bestritten, dass es überhaupt eine Krise des Euro gibt. Sie verweisen lieber auf die Vorteile der Währungsunion: kein Geldwechseln in Europa, niedrige Inflation – zumindest bis 2010.

Altkanzler Helmut Kohl sagte erst kürzlich, der Weiterbestand des Euro sei „eine Frage von Krieg oder Frieden“. Auch Kanzler Werner Faymann spricht gern von der „Friedenswährung Euro“.

Der Euro als Politikerprojekt

Aber stimmt das? Ist der Euro, sind die Euro-Rettungspakete tatsächlich „alternativlos“? Der deutsche Liedermacher Funny van Dannen hat schon vor zehn Jahren gefragt: „Der Rummel um den Euro – ist das die Sache wert?“

Nein, sagt Martin S. Feldstein, Obama-Berater, Harvard-Ökonom und Vorsitzender des National Bureau of Economic Research (NBER), der größten wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtung in den USA.

Feldstein hat Entstehung und Auswirkungen des Euro in einem Paper analysiert und zieht eine vernichtende Bilanz: Der Euro befinde sich nicht nur in einer Krise, er sei auch die Ursache der Schuldenkrise in Europa.

„Die Schaffung des Euro sollte heute als ein Experiment erkannt werden, das zu Schuldenkrisen in mehreren Ländern, dem fragilen Zustand wichtiger europäischer Banken und hoher Arbeitslosigkeit geführt hat“, so Feldstein. Das Auftreten dieser Probleme sei kein Unfall, sondern die „direkte Konsequenz“ der Währungsunion.

Feldstein beschreibt die Entstehung des Euro als ein Projekt europäischer Politiker, die – geblendet vom Traum einer Großmacht Europa – ökonomische Bedenken immer wieder beiseitegeschoben haben, um ihr Ziel zu erreichen. Als zentrales Element auf dem Weg zum Euro identifiziert Feldstein einen Report des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors („Ein Markt, ein Geld“) aus dem Jahr 1990.

„Der Report bringt das fadenscheinige Argument, dass eine Freihandelszone nur mit einer gemeinsamen Währung funktionieren kann. Aber weder ökonomische Logik noch unsere Erfahrungen können diese Aussage belegen. Die EU hat bis heute eine Freihandelszone, aber nur 17 von 27 Ländern nutzen den Euro.“

Fiskalunion verstärkt Konflikte

Länder mit eigener Währung können sich durch Inflation eines Teils ihrer Schuldenlast entledigen. Südeuropäische Staaten haben diesen Weg immer wieder beschritten, weshalb Geldgeber sie nur zu hohen Zinsen mit Kredit versorgt haben. Die Einführung des Euro hat die Zinsen aber gedrückt. „Regierungen und private Haushalte haben auf diese niedrigen Zinsen mit stärkerer Verschuldung reagiert.“ Das passierte in Ländern wie Italien, Griechenland, Spanien und Irland, schreibt Feldstein.

Die jetzt angebotenen Lösungen würden aus dem Euro ein Projekt machen, das nicht den Frieden sichert, sondern die Konflikte in Europa anheizt: „Manche wollen die Krise nutzen, um eine politische Union voranzutreiben. Am Anfang nennen sie es noch Fiskalunion. Aber politische Rücktritte und Demonstrationen auf den Straßen zeigen, wie sehr die Griechen ein wirtschaftliches Diktat ablehnen.“

Auch viele Deutsche wollten keine Transferzahlungen an andere Länder. Die Einführung des Euro habe „Konflikte geschaffen, die sonst nicht bestehen würden. Weitere Schritte in Richtung Fiskalunion würden diese Konflikte nur verschärfen“, so Feldstein.

Mehr noch: „Einige Länder hätten weniger Arbeitslosigkeit, weniger Schulden und bessere Aussichten, hätten sie den Euro nie eingeführt.“ Ein Zerbrechen der Eurozone wäre freilich teuer, gesteht Feldstein ein. Die Politiker hätten diese Kosten bei der Einführung bedenken sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.