Hypotheken: Sorge um Blase in Nordeuropa

(c) AP (Alastair Grant)
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Niederländer, Dänen, Iren und Schweden sitzen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung auf mehr Hypotheken als US-Amerikaner. Es hat sich eine Blase gebildet.

Wien/Stef. Mit Schaudern denkt die Wirtschaftswelt an das Jahr 2008 zurück, als eine gewaltige „Blase" am US-Immobilienmarkt platzte und die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession führte. Nun, knapp vier Jahre später, blicken viele Beobachter der Häusermärkte mit Sorge nach Europa. In vielen Ländern hat die Bevölkerung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung nämlich deutlich mehr Hypotheken aufgenommen als in den USA.

So sitzen die Niederlande ebenso wie Dänemark laut Zahlen der „European Mortgage Federation" auf einem Hypothekenberg von mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die beiden Länder haben relativ zum BIP die höchsten Hypothekarschulden der Welt. Doch auch in Norwegen, Schweden, Großbritannien, Luxemburg oder Irland hat die Bevölkerung gigantische Schuldenberge aufgetürmt, um Häuser und Wohnungen bauen oder kaufen zu können. Norwegen beispielsweise bringt es auf Hypothekarschulden von mehr als 45.000 Euro pro Einwohner (siehe Grafik).

Länderspezifische Unterschiede

Ob die hohe Hypothekarverschuldung tatsächlich zu einem ernsten Problem für die Volkswirtschaft eines Landes wird, hängt von mehreren Faktoren ab. In den USA waren die Häuserpreise vor 2008 jahrelang in den zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Es hatte sich eine gewaltige Blase gebildet. Als sie platzte und die Preise einbrachen, deckte der Wert vieler Häuser die fälligen Kredite nicht mehr ab - der Eigentümer war plötzlich „unter Wasser", wie es im Fachjargon heißt, eventuelle Mieteinnahmen reichen zur Kredittilgung nicht aus, der Verlust des Hauses drohte.
„Nicht überall in Europa ist die Lage so dramatisch wie damals in den USA", versucht Wolfgang Amann vom Wiener Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen zu beruhigen. Der Experte hat am Report der „European Mortgage Federation" mitgearbeitet und warnt davor, alle Länder über einen Kamm zu scheren.
So seien die Häusermärkte in Dänemark oder Schweden trotz der hohen Verschuldung relativ stabil, meint Amann. Gleiches gelte für die Schweiz. Die Eidgenossen sind in dem angesprochenen Report nicht erfasst, doch beliefen sich die Hypothekarschulden ebenfalls auf 100 Prozent des BIPs.
In diesen Ländern stünden oftmals zahlungskräftige institutionelle Investoren hinter dem Wachstum. Selbst wenn die Häuserpreise einbrechen würden, drohten keine weitreichenden Zahlungsausfälle, bloß Gewinnrückgänge für die Investoren. „Das größte Problem sind zumeist Private, die sich übernommen haben", erklärt Amann.

Gefahr in Holland und Norwegen

Bedrohlicher sieht die Lage in Norwegen und den Niederlanden aus. „Norwegen hat große Probleme mit der Preisentwicklung am Wohnungsmarkt", erklärt Amann. Die Preise haben sich von 1995 bis 2007 verdreifacht. Seit 2007 blieben sie stabil, geplatzt ist die „Blase" aber keineswegs. Die Frage wird sein, ob es zu einem „soft landing" - überschaubaren Preisrückgängen über einen längeren Zeitraum - oder einer harten Landung kommt. Im zweiten Fall droht Eigentümern die Zahlungsunfähigkeit, als Folge käme der Bankensektor in Schwierigkeiten.
Gleiches gilt für die Niederlande, wo sich die Regierung Steuervorteile für Häuslbauer jedes Jahr ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten lässt (Österreich bringt es auf 0,9 Prozent, dieser Betrag inkludiert aber die Wohnbauförderung der Länder). Um die „Blase" am Häusermarkt einzudämmen, denkt die holländische Politik nun über eine Reduktion der Steuervorteile nach. Das würde die Staatsschuld eindämmen - aber gleichzeitig viele Hypothekarschuldner in Schwierigkeiten bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2012)

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