Die Sozialisten fordern Wachstumsimpulse – neben dem strengen Sparpostulat. In der EU vollzieht sich nun ein Schwenk: Konjunkturbelebende Maßnahmen sind geplant.
Berlin/Madrid/Kor./Ag. Am Freitag waren noch resolute Worte gefallen. „Der Fiskalpakt ist nicht neu verhandelbar“, sagte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Der Vertrag für mehr Budgetdisziplin in der EU habe zu viel Zeit und Nerven gekostet, sei von 25Regierungschefs unterschrieben worden– da gebe es nichts aufzuschnüren. Genau das will aber François Hollande, der immerhin bei der für 6.Mai stattfindenden Stichwahl nächster französischer Präsident werden könnte. Hollande fordert eine Lockerung des strikten Sparpostulates – und mehr Bemühungen für wachstumsfördernde Maßnahmen.
Am Wochenende blieben weitere Reaktionen nicht aus: Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnte neue Verhandlungen über den europäischen Fiskalpakt ab – es gehe immerhin um das „Vertrauen in die langfristige Stabilität des Systems“. Und der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, sagte, er werde „mit Hollande reden“, sollte dieser die Stichwahl gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy gewinnen.
Merkel für „Wachstumsagenda“
Verhärtete Fronten, so scheint es. Dennoch ist am Wochenende einiges in Bewegung geraten. So gab es zunächst einmal bei Angela Merkel ein gewisses Einlenken: Bis zum EU-Gipfel im Juni werde sie eine europäische „Wachstumsagenda“ vorlegen, sagte Merkel. Sie könne sich unter anderem vorstellen, „dass wir die Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank noch verstärken“.
Noch am Sonntag wurde die Sache konkreter: Einem Medienbericht zufolge will die Europäische Kommission einen „Marshall-Plan“ zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Europa auflegen. Es sollten 200Mrd. Euro für Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare Energien und Schlüsseltechnologien mobilisiert werden, berichtete die spanische Zeitung „El Pais“ unter Berufung auf EU-Vertreter. Die Finanzierung könne durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (EFSM) erfolgen.
Dem Bericht zufolge sollten zwölf Mrd. Euro aus dem EFSM-Fonds, die noch nicht abgerufen worden sind, verwendet werden, um durch „komplizierte Finanzinstrumente“ private Mittel für die EIB zu mobilisieren. Diese Mittel sollten dann als Garantie benutzt werden, um öffentlich-private Infrastrukturprojekte zu initiieren. Der EFSM-Fonds ist eine Ergänzung zum Rettungsfonds EFSF und wird vom EU-Budget getragen.
Eine andere Möglichkeit zur Finanzierung des Plans wäre laut „El Pais“, die Mitgliedstaaten um die Zahlung von zehn Mrd. Euro an die EIB zu bitten. Eine Entscheidung für diesen Weg sei aber angesichts der klammen Haushalte der EU-Staaten unwahrscheinlich, schrieb die Zeitung. Das Projekt soll bei einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs diskutiert werden, das vor dem Ende Juni geplanten Gipfel stattfinden soll.
Für Angela Merkel wird dies wohl ein gangbarer Weg sein. Nicht zuletzt deshalb, weil sie auch innenpolitisch unter Druck steht: Die SPD fordert, ebenso wie der französische Sozialist Hollande, einen zusätzlichen Masterplan, um Impulse für Wachstum in Ländern wie Spanien zu setzen. „Nur dann werden sie auf die Beine kommen und ihre Staatsschulden selbst bezahlen können“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Sparen sei gut, werde aber allein nicht reichen.
Italien spart weitere fünf Mrd. ein
Italiens Premier Mario Monti kündigte gestern eine weitere Welle von Einsparungen an, um Ende 2013 eine ausgeglichene Bilanz vorlegen zu können. Die Kürzungen sollen Strafanstalten, Schulwesen und Polizei betreffen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)