Ölkonzern BP kapituliert in Russland

(c) EPA (Yuri Kochetkov)
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Der britische Konzern überlegt den Verkauf seiner Anteile am Ölförderer TNK-BP. Damit hat der Oligarch Michail Fridman den Streit um die Firma wohl für sich entschieden.

Moskau. Wenn ein geschiedener Multimilliardär von Ehe und Ethik erzählt, kann das viele Gründe haben. Gut möglich freilich, dass ihm einfach kein besseres Symbol eingefallen ist, um einen geschäftlichen Zustand zu versinnbildlichen. Es sei also wie beim Eheleben, meinte Michail Fridman vorige Woche zur russischen Zeitung „Kommersant“: Wenn schon jemand – „und das kann manchmal passieren“ – eine Jüngere finde, dann sollte er sich zumindest vorher von seiner Gattin trennen.

„Von uns aber hat sich niemand trennen wollen“, sagte Fridman, Kopf des russischen Oligarchenkonsortiums AAR, das die zweite Hälfte des mit der britischen BP geführten Ölkonzerns TNK-BP hält: „Und deshalb war das Vertrauen zu BP erschüttert.“

So geschehen Anfang des vorigen Jahres, als BP die Partnerschaft mit AAR auf die Probe stellte und heimlich eine Parallelallianz mit dem staatlichen Branchenprimus Rosneft eingehen wollte. BP aber hatte Fridman unterschätzt und musste nicht nur den Flirt mit Rosneft abblasen. Fortan blieb auch das Verhältnis mit AAR gestört, wie man heute weiß. Anfang der Vorwoche ist der Rosenkrieg beim drittgrößten russischen Ölförderer eskaliert: Fridman, sechstreichster Russe, ist überraschend als CEO von TNK-BP zurückgetreten.

Damit hat er den Briten endgültig gezeigt, dass er nicht mehr mit ihnen arbeiten will. Am Freitag teilte BP dann mit, über einen Verkauf der Anteile an TNK-BP nachzudenken und Angebote erhalten zu haben. Eines kommt von AAR selbst. Das andere offenbar von Rosneft oder Gazprom, wie die „Financial Times“ mit Verweis auf Quellen berichtet. Geschätzter Kaufpreis für das Gesamtpaket: 30 bis 40 Mrd. Dollar.

Russland als Cashcow für BP

Als Zerwürfnis endet also, was lang erfolgreich war. Dass man den 48-jährigen Fridman nicht unterschätzen sollte, hätten die Briten freilich längst wissen müssen. Was einen wirklichen Unternehmer ausmache, sei nicht Hartnäckigkeit, sondern Abenteuerlust, Konfliktbereitschaft und eine starke Verteidigung der eigenen Interessen, hatte Fridman einmal in seiner Geburtsstadt Lemberg erklärt.

Gesagt, gelebt – ob in seiner Fensterputzfirma als Jugendlicher oder später in der Alfa-Group, in der er seine Finanz-, Öl-, Retail- und Telekommunikationsaktiva zusammengefasst hat. Wenn ausländische Geschäftspartner nicht parierten, zwang er sie gerichtlich in die Knie. So die norwegische Telenor, die Anteile am russischen Mobilfunkkonzern Vimpelcom hält, aber lange seine Expansion ins Ausland verhindern wollte, bis Fridman 2011 die Fusion mit der Wind Telekom des ägyptischen Milliardärs Nagib Sawiris durchsetzte.

Den spektakulärsten Aktionärsstreit aber trug Hobbypianist Fridman mit dem Ölmulti BP aus. Und zwar lange bevor die „Ehe“ bei TNK-BP im Vorjahr den Bach runterging.

Als sich BP gegen eine Expansion von TNK-BP im Ausland sperrte, um Konkurrenz zu vermeiden, setzte Fridman alle Hebel bis zu den Behörden in Bewegung, sodass der damalige TNK-BP- und heutige BP-Chef Robert Dudley 2007 aus Russland fliehen musste.

Dass BP später, Anfang 2011, Fridman mit Rosneft hintergehen wollte, erweist sich heute als fataler Fehler. Da konnten selbst die unabhängigen ausländischen Aufsichtsräte nicht mehr helfen. Zuletzt war der Aufsichtsrat paralysiert, bis Fridman die Situation durch den Rücktritt sprengte.

Mit dem Verkauf in Russland könnte BP zwar schnell die Kosten aus der Ölkatastrophe in Mexiko vor zwei Jahren schultern. Aber es würde langfristig eine große Cashcow verlieren, stand TNK-BP doch für ein Drittel der Ölförderung von BP. Der russische Markt sei „besonders wichtig“, meinte kürzlich BP-Aufsichtsratschef Carl-Henrik Svanberg.

Der Markt habe freilich auch Spezifika, sagte Fridman vor eineinhalb Jahren zur „Presse“. Doch das meiste sei wie überall. Etwa, dass „das Familienleben nicht nur Honeymoon ist. Aber wenn man zu Lösungen bereit ist, kann man zu zweit mehr erreichen als allein.“ Wenn nicht, wie man jetzt weiß, dann offenbar nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2012)

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