Hollands Sparkurs: Wenn der Arztbesuch Luxus ist

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Wenn Arztbesuch Luxus Hollands(c) EPA (TORKIL ADSERSEN)
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Neben der Anhebung des Rentenalters ab 2019 von 65 auf 66 Jahre bzw. auf 67 Jahre ab 2024 und einem Einfrieren der Gehälter im öffentlichen Dienst dürfte vor allem die Erhöhung der Mehrwertsteuer umstritten sein.

,,Wir haben es geschafft.“ Die Erleichterung war dem niederländischen Finanzminister Jan Kees de Jager anzusehen, als er Ende April das zwölf Mrd. Euro schwere Sparpaket verkündete. Es kommt zusätzlich zu den bereits beschlossenen Einsparungen in Höhe von 18 Mrd. Euro. Damit will der Staat bis 2014 in Summe 30 Mrd. Euro weniger ausgeben und das Haushaltsdefizit im nächsten Jahr wieder unter die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIPs) drücken.

Alles andere als erleichtert dürften die Holländer selbst sein, die den Kraftakt der neuen Regierungskoalition deutlich spüren werden. Denn die Schnitte sind tiefgreifend und unpopulär.

Neben der Anhebung des Rentenalters ab 2019 von 65 auf 66 Jahre bzw. auf 67 Jahre ab 2024 und einem Einfrieren der Gehälter im öffentlichen Dienst dürfte vor allem die Erhöhung der Mehrwertsteuer umstritten sein. Sie soll im kommenden Jahr von 19 auf 21 Prozent angehoben werden.

Noch schwerer dürfte die Erhöhung des Selbstbehalts im Krankheitsfall wiegen. Er steigt von bisher 220 Euro pro Versichertem auf künftig 350 Euro. Wer in den Niederlanden ab 2013 zum Arzt geht oder ins Krankenhaus muss, der muss die ersten 350 Euro der Behandlungskosten aus eigener Tasche bezahlen.

Höhere Steuern für Hausbesitzer

Kritiker meinen, dass dies nicht nur einen schweren Anschlag auf das Portemonnaie der Versicherten, sondern auch auf die Volksgesundheit darstellt, weil viele Menschen nicht mehr zum Arzt gehen würden, wenn sie krank sind. Sie könnten sich einen Arztbesuch einfach nicht mehr leisten. Vor allem Zahnarztbesuche werden sich viele Niederländer ab 2013 wohl verkneifen, wenn diese nicht unbedingt nötig sind.

Die dritte schmerzhafte Maßnahme ist die Reform des Hypothekenrechts. Ab 2013 soll es keine tilgungsfreien Hypotheken mehr geben. Jeder Käufer eines Eigenheims, der eine Hypothek abschließt, soll ferner verpflichtet werden, diese Hypothek innerhalb von 30 Jahren zurückzuzahlen. Bisher war es für Hausbesitzer attraktiv, tilgungsfreie Hypotheken aufzunehmen, weil man Hypothekenzinsen in den Niederlanden zu 100 Prozent von der Steuer absetzen konnte. Künftig werden Hausbesitzer mehr Steuern zahlen müssen.

Höhere Steuern sieht das Sparpaket auch für Tabakwaren, Alkohol und Erfrischungsgetränke vor. Zusätzlich wird es eine Vermögenssteuer geben, deren Höhe aber noch nicht feststeht. Sie soll jährlich rund 500 Mio. Euro in die Staatskasse spülen.

Finanzminister de Jager plant, dass das Sparpaket mit dem Haushaltsentwurf für 2013 noch vor der Sommerpause beschlossen wird. Die Eile hat nicht nur mit den leeren Staatskassen zu tun, sondern auch mit den Neuwahlen am 12. September. De Jager will signalisieren, dass er die aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen bis 2014 wieder ins Lot bringt. Derzeit liegt das Defizit bei 4,6 Prozent, ohne Sparmaßnahmen würde es 2013 auf fünf Prozent wachsen. Denn die Niederlande befinden sich immer noch in einer Rezession, im ersten Quartal sank die Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent.

Auf einen Blick

Krank sein wird für Niederländer deutlich teurer: Wer ab 2013 zum Arzt oder ins Krankenhaus geht, der muss die ersten 350 Euro der Behandlungskosten aus der eigenen Tasche bezahlen. Das ist Teil des Sparpakets, mit dem Finanzminister Jan Kees de Jager den Haushalt entlasten will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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