Erneuerbare Energie: Die Zeichen der Zeit erkennen

Der Krieg um Öl wird mit diesem enden. In wenigen Jahrzehnten sind die Reserven erschöpft. Die Zukunft gehört der Sonnenenergie, ein Jobmotor erster Güte zeichnet sich ab. Die Entwicklung ist atemberaubend.

Wörter wie Revolution sind leicht ausgesprochen und mit Vorsicht zu genießen. Doch wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass heute Handy, Computer und Laptop zur Grundausstattung jedes Kindes gehören. Was sich am IT-Sektor abspielte und auch hier erst der Anfang einer „medialen Revolution“ ist, wird von seinen Auswirkungen her im Bereich der Energieversorgung wohl noch in den Schatten gestellt werden. Öl und Gas werden bei gleichbleibendem Verbrauch noch in diesem Jahrhundert zu Ende gehen, so viel – belegt durch unterschiedlichste Forschungsergebnisse – scheint fix zu sein.

Dieses Szenario bietet angesichts von Klimawandel und der virulenten C02-Problematik freilich weit mehr Chancen als Gründe für Untergangsfantasien – gerade für ein Land wie Österreich. Verstrickt in die Anforderungen des Alltags fehlt es aber bei Politikern, Technikern, Architekten, Landschaftsgestaltern, Meinungsbildnern und Entscheidungsträgern vor allem an einem: dem nötigen Bewusstseinswandel. Wer auf Erneuerbare Energie setzt, als Unternehmer oder bei der Berufswahl, dem wird die Zukunft gehören.

Es ist machbar

„Sonnenenergie ist mit dem Faktor 10.000 im Überfluss vorhanden“, so Hubert Fechner, Geschäftsfeldleiter für Erneuerbare Energietechnologien bei Arsenal Research. „In zwei Jahren wird es technisch möglich sein, ein Einfamilienhaus komplett mit Sonnenenergie zu versorgen“, so Meinhard Aicher, Vorstandsvorsitzender der Kioto Clear Energy AG.

Im Bereich der Sonnenenergie-Nutzung gibt es zwei große Bereiche: Photovoltaik (Erzeugung von elektrischem Strom) und Solarthermie (Erzeugung von Wärme). Haushalte verbrauchen hierzulande zu 87 Prozent Energie für Wärme.

Günther Kohlmaier, Geschäftsführer beim Vertriebsunternehmen Sonnenkraft Österreich: „Im Bereich Solarthermie haben wir exzellente Unternehmen, die Weltmarktführer sind. Österreich war hier Vorreiter, ist aber durch Versäumnisse der Politik dabei, diese Vorreiterrolle einzubüßen.“ Der Bereich Photovoltaik ist in Österreich mangels entsprechender Förderungen weniger gut entwickelt. Hier ist Deutschland, auch durch gezielte Förderprogramme der Regierung, dabei, Japan den Rang als Weltmarktführer abzulaufen. Allein in diesem Bereich gibt es in Deutschland 40.000 Arbeitsplätze. In Österreich 5000 in der Solarthermie. Tendenz hier wie da: stark steigend.

Erwin Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter bei der Aristid Personalberatung Schmidt & Partner KEG: „Gebraucht werden Elektrotechniker, Maschinenbauer, Verfahrenstechniker, Physiker.“ Dazu Hubert Fechner: „Die Qualifikation erfordert nichts völlig Neues, gebraucht werden solide, gut ausgebildete Techniker und vor allem Technikerinnen. Ich möchte ganz besonders auch Frauen auffordern, sich verstärkt für technische Fächer zu interessieren, aber qualifizierte Technikerinnen sind heute leider noch rar.“

Das ergänzt Andreas Helbl, Leiter für Energie und Umwelt bei iC-Consulenten: „Wichtig sind vor allem Interesse und Begeisterung für die Sache sowie gute Englischkenntnisse, da ein Großteil des Marktes international ist. Der Bedarf an Haus- und Elektrotechnikern ist sehr hoch und kann kaum gedeckt werden, bei der nötigen Leidenschaft reicht auch ein HTL-Abschluss.“ Vor allem Fachhochschulen wie jene in Pinkafeld und Jenbach sind Kaderschmieden. Im Nebengebäude von Arsenal Research in Floridsdorf entsteht gerade ein neuer Studiengang der FH Technikum Wien für Erneuerbare urbane Energiesysteme. Hubert Fechner: „Da 80 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Räumen leben, ist deren Versorgung eine große Herausforderung, um den Umstieg auf ein nachhaltiges Energiesystem zu realisieren.“

Jahrhundertchance

Der Präsident der ESTIF (European Solar Thermal Industry Federation) Gerhard Rabensteiner meint: „Wir haben eine Jahrhundertchance und stehen am Beginn einer Energiewende. Die Politik ist gefordert, hier Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie Häuser gebaut werden, hängt massiv von den Vorschriften ab. Erneuerbare Energie wird ein Jobturbo für Europa, wir haben hier eine Führungsrolle.“ Günther Kohlmaier: „Die EU hat beschlossen, den CO2-Ausstoß bis 2020 mit Erneuerbarer Energie um 20 Prozent zu senken. Spanien und Italien haben schon Gesetze erlassen, dass bei jedem Neubau Solaranlagen errichtet werden müssen. Österreich sollte hier nicht hinterherhinken.“ Gerhard Rabensteiner: „Unsere Branche bietet das Asset, wirklich tun zu können, woran man glaubt. Wir können unsere Produkte mit gutem Wissen und Gewissen verkaufen.“ Andreas Helbl: „Wir sind aber sicher keine Ökofundamentalisten, solche Ansätze sind längst Geschichte, wir repräsentieren einen hochmodernen Technologiezweig.“

Architekten und Designer gefragt

Ein wichtiger Appell geht an Architekten und Designer, innovative und ästhetisch anspruchsvolle Konzepte für Solarenergie-Lösungen zu entwickeln. Gerade bei Architekten ist das Bewusstsein für diese zukunftweisende Technologie noch kaum verankert. In Salzburg etwa ist die größte Wohnbaugesellschaft GSWB vorbildlich: 60 Prozent aller neu errichteten Gebäude verfügen dort heute schon über Solaranlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2007)

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