Kein Grund für ständige Hypes um ungleiche Vermögensverteilung

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Durch staatliche Umverteilung lassen sich nur die Symptome der Ungleichheit bekämpfen, nicht die Ursachen, meint Ökonom Stefan Bach.

Die Vermögensverteilung ist stark konzentriert, weltweit wie auch in Deutschland. Allerdings nicht so stark, wie manche Verlautbarungen vermuten lassen. Dennoch böte sich eine moderat stärkere Besteuerung von sehr hohen Vermögen in Deutschland an, wie dieser Beitrag zeigt. Eine Vermögenssteuer ließe sich relativ präzise auf sehr wohlhabende Haushalte zuschneiden.

"Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten" schrieb Kurt Tucholsky 1931. Was die Vermögensverteilung angeht, so ist sie stark konzentriert, besonders in der Weltwirtschaft. Vor einigen Wochen hat die Nichtregierungsorganisation Oxfam zum Weltwirtschaftsforum in Davos ausgerechnet, dass die reichsten 62 Milliardäre der Welt so viel Vermögen haben wie die ärmere Hälfte der Menschheit. Aber auch für Deutschland kommt das "manager-magazin" für die 500 reichsten Deutschen auf ein Vermögen von 650 Milliarden Euro. Das sind immerhin sieben Prozent aller Privatvermögen in Deutschland und mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Nordrhein-Westfalen oder der Schweiz.

Solche Rechnungen sind spektakulär und wunderbar zugespitzt, damit man sie durchs mediale Dorf treiben kann, um die soziale Gerechtigkeit zu thematisieren. Da geht Vermögensverteilung immer. Aber sie werfen viele Fragen auf, sowohl zur Messung als auch zum Konzept.

"Große statistische Unsicherheit beim Anteil der Top-Vermögenden in Deutschland" konstatieren DIW-Forscher. Sie schätzen den Anteil der reichsten zehn Prozent der Bürger am Gesamtvermögen auf 63 bis 74 Prozent und den Anteil des reichsten Prozents auf 30 bis 35 Prozent. Da die großen Vermögen in den einschlägigen Haushaltserhebungen zum privaten Vermögen notorisch untererfasst sind, muss man sie um Listen der Superreichen a la Forbes oder "manager magazin" ergänzen und mit Annahmen über die Verteilung schätzen. Die Bundesregierung verwendet dagegen für ihren Armuts- und Reichtumsbericht Zahlen aus der offiziellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der Statistischen Ämter. Demnach liegt der Anteil der reichsten 10 Prozent nur bei 52 Prozent. In dieser Erhebung sind aber die Unternehmensvermögen und die Hocheinkommensbezieher gar nicht erfasst, so dass die großen Vermögen und damit ein beträchtlicher Teil des Volksvermögens fehlen.

Die viel kritisierte Unzuverlässigkeit der Datengrundlage ist kein besonderes Problem der Reichtumsforschung. Die meisten wirtschaftspolitisch relevanten Zahlen sind deutlich unsicherer, siehe die Prognosen zum BIP oder zum Ölpreis oder die Schätzungen zu den Wirkungen des Mindestlohns. Wenn es keine verlässlichen Zahlen zu relevanten Problemen gibt, muss man eben welche erfinden, sorry: schätzen. Das natürlich seriös und nach allen Regeln der statistischen Kunst.

Was ist Vermögen?

Wenig beachtet werden konzeptionelle Fragen des Vermögens und seiner Verteilung. Im einfachen ökonomischen Standardmodell ist Vermögen schlicht kapitalisiertes Einkommen, also der Gegenwert zukünftiger Erträge, oder von Nutzwerten bei eigenen Wohnungen, Hausrat oder Fahrzeugen. Gemessen daran fehlt einiges in der Vermögensbilanz. Vor allem das "Humankapital" als Gegenwert der Löhne, die den größten Einkommensposten in der Volkswirtschaft ausmachen. Dabei sollte man auch gleich das Lebenseinkommen erfassen, das längerfristig die Ungleichheit besser wiedergibt. Junge Menschen in oder kurz nach der Ausbildung haben häufig nur ein geringes Einkommen und in vielen Ländern auch beträchtliche Schulden durch Ausbildungskredite. Wenn sie erfolgreich sind, können sie schnell in die obersten Prozente der Verteilung gelangen. Und selbst unsere Rentner verfügen über ein beträchtliches "Sozialkapital". So bedeuten 1500 Euro Rente im Monat über 15 Jahre gezahlt bei 2 Prozent Zinsen immerhin einen Kapitalwert von 233 000 Euro.

Wenn man diesen erweiterten Vermögensbegriff verwendet, nähert sich die Ungleichheit der Vermögensverteilung naturgemäß weitgehend der viel geringeren Ungleichheit der Einkommensverteilung an. Die ist auch deutlich ungleicher geworden, sowohl im aktuellen Querschnitt als auch im Längsschnitt über die Generationen. Aber es gibt es keinen Grund für ständige Hypes um die enorm ungleiche Vermögensverteilung.

Wo liegt also der Witz beim Vermögen im herkömmlichen Sinne und seiner Verteilung? Geld alleine macht nicht glücklich, sagt der Volksmund, es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu. Ein höheres fungibles Vermögen, das man verkaufen, beleihen, verleihen, verschenken oder vererben kann, vermittelt Unabhängigkeit und Sicherheit, sogar Macht und Einfluss, wenn es richtig viel ist. Außerdem seit jeher: Wer hat, dem wird gegeben. Der Einkommens- und Vermögensstatus hängt auch über Generationen maßgeblich von der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und Klassen ab, die soziale Mobilität ist nicht allzu hoch. Und nicht jeder wird auf ehrliche Weise reich. Mit diesen Aspekten beschäftigen sich die Ökonomen zu wenig, weil man sie schlecht messen kann oder weil sie nicht ins Weltbild passen.

Ein steuerpolitisches Fossil wird ausgegraben

Früher war man da schon weiter. "Die Anschauung, dass dem sogenannten fundierten, d.h. auf Besitz gegründeten Einkommen im Vergleich zu dem Arbeitseinkommen im Allgemeinen eine größere Steuerkraft beiwohne, ist so weit verbreitet wie berechtigt, und bedarf einer besonderen Begründung an dieser Stelle nicht" schrieb die preußische Staatsregierung 1892 in ihrer Gesetzesbegründung zur Einführung der Vermögensteuer. Bis in die 70er Jahre betonte der deutsche Steuergesetzgeber ausdrücklich die besondere steuerliche Leistungsfähigkeit des Vermögens bei der Rechtfertigung der Vermögensteuer.

Der moderne Kapitalismus ist besser als sein Ruf, neigt aber zu Vermachtung, Oligarchie und Blasen auf den Vermögensmärkten. Eingebunden in wirksamen Wettbewerb und demokratische Kontrolle ist Reichtum kein Problem. Insoweit soll man den Reichtum beobachten, aber unproduktive und leicht hysterische Sozialneiddebatten vermeiden. Durch staatliche Umverteilung lassen sich sowieso nur die Symptome der Ungleichheit bekämpfen, nicht die Ursachen. Dazu muss man Bildung und Produktivität der kleinen Leute erhöhen und ihre wirtschaftliche Macht stärken.

Das schließt nicht aus, die Vermögen der wirklich Reichen wieder moderat stärker zu besteuern. Einkommensteuer und Erbschaftsteuer belasten nur noch die "Sandwichbürger" der oberen Mittelschicht und unteren Oberschicht progressiv. Und die Erbschaftsteuer wird gerade von der Großen Koalition endgültig kaputtreformiert. Da fällt der Blick wieder auf die Vermögensteuer. Die ist zwar umstritten und ein rotes Tuch für die Mittelständler. Aber sie lässt sich recht präzise auf die sehr wohlhabenden Haushalte zuschneiden, deren Einkommen häufig nur schwer festzustellen sind. Nicht zuletzt hätte sie den Vorteil, dass man Licht ins Dunkel der Top-Vermögens­ver­teilung bringen könnte.

Der Autor

Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im DIW Berlin und Privatdozent an der Universität Potsdam. Er ist studierter Volkswirtschafter, seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Steuerpolitik, Sozialpolitik, Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die Entwicklung von Mikrosimulationsmodellen.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

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