Österreich bis USA: Wie sich Staaten Steuerärger schaffen

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Steuerplanung: Unternehmen nutzen Steuerlücken infolge unterschiedlicher Einkommensbesteuerungen aus. Verrechnungspreise helfen ihnen dabei.

Wien. Im Jahr 2010 sind allein durch Barbados und die britischen Überseegebiete Bermuda und Virgin Islands mehr Auslandsinvestitionen geflossen als durch die volkswirtschaftlichen Schwergewichte Deutschland oder Japan. Das geht aus einem im Februar veröffentlichten OECD-Bericht über die weltweite Nutzung von Besteuerungslücken hervor, in Fachkreisen kurz Beps-Report (für „Base Erosion and Profit Shifting“) genannt. Solche Zahlen rütteln, verbunden mit dem Wissen um die Knappheit der öffentlichen Mittel, Steuerverwaltungen auf der ganzen Welt wach, die Atlantik-/Karibik-Inseln vielleicht ausgenommen.

Wie berichtet nützen Unternehmen gezielt Steuerlücken aus, die sich aus der weltweit unterschiedlichen Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung ergeben. Das wurde vorige Woche auch beim ersten „Unternehmensteuerforum“ am Wiener Juridicum deutlich, zu dem das Institut für Finanzrecht der Uni Wien unter Leitung von Sabine Kirchmayr eingeladen hatte. Motto: „Aggressive Steuerplanung in der Praxis“. Man denke nur an die Weltkonzerne Apple, Google oder Starbucks, die „im Vergleich zu ihrer Ertragskraft nur eine sehr niedrige Steuerquote“ erreichen, sagte Kirchmayr.

Wie gering ihre Steuerbelastung ist, schilderte der Finanzbeamte Gerhard Steiner, Mitglied des Fachbereichs der Großbetriebsprüfung. Google lenkt seine Werbeeinnahmen aus der ganzen Welt unter Einschaltung einer niederländischen Gesellschaft über Irland auf die Steueroase Bermuda, sodass seine außeramerikanischen Gewinne nur mit ein bis zwei Prozent Steuer belastet sind. Apple gelingt es, sich als „absolut nicht, also nirgendwo ansässige Gesellschaft“ zu gerieren und dank einer Vereinbarung mit Irland einzig und allein das Geschäft in Irland zu besteuern: ergibt ein Prozent. „Irland ist und bleibt eine Steueroase“, sagte Steiner, ausdrücklich nur seine persönliche Meinung wiedergebend. Egoismus einzelner Staaten nützt diesen kurzfristig; tun es andere ihnen gleich, wird aber letztendlich der Steuerkuchen für alle kleiner.

„Wir sind auch keine Heiligen“

„Wir sind auch keine Heiligen“, gestand Steiner mit Blick auf das Bankgeheimnis ein, das unter internationalem Druck bei ausländischen Vermögen in Österreich gelockert wird. Österreich hat übrigens die zweifelhafte Ehre, in dem Beps-Report ebenfalls kritisch erwähnt zu werden: mit auffallend niedrigen Körperschaftsteuereinnahmen und als beliebtes Einsatzgebiet für Holdingstrukturen (Special Purpose Entities), die mit null bis wenig Mitarbeitern/physischer Präsenz im Lande steuerschonende Aktivitäten entfalten.

Der Nutzen für Österreich hält sich oft in Grenzen. Steiner schilderte (ohne Namensnennung) den Fall einer Holding, die in Österreich Genussrechte (also Fremdkapital) begibt und jährlich zehn Mio. Euro (abzugsfähige) Zinsen an eine niederländische Konzerngesellschaft zahlt. Eine operative Tochter in Österreich nützt derweil die Vorzüge der Gruppenbesteuerung. Weil das Modell auf 50 Jahre angelegt ist und betriebswirtschaftlich reichlich sonderbar anmutet, hat die Großbetriebsprüfung den Fall vor den Unabhängigen Finanzsenat gebracht.

Wie so oft in diesem Zusammenhang – so auch bei Apple & Co. – steht damit das System der Verrechnungspreise für Lieferungen und Leistungen im Konzern am Pranger. Solange die Staaten das nicht (einheitlich) in den Griff bekommen, solange wird das für die Finanzverwaltungen so wichtige „Steuersubstrat“ nahezu beliebig verschoben werden können.

Es gibt aber auch andere Gestaltungsmöglichkeiten: Die USA erlauben beispielsweise mit ihrer Check-the-Box-Regelung eine völlig freie Wahl der Rechtsform. Auch damit können konzerninterne Zahlungen in Österreich als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, die in den USA steuerfrei vereinnahmt werden können. Oder umgekehrt: Wenn eine US-Gesellschaft Geld auf dem Kapitalmarkt aufnimmt und den Kredit auf eine österreichische Holding mit einer operativen Gesellschaft überträgt, kann diese Gruppe Gewinne mit dem Zinsaufwand verrechnen und das Ergebnis auf null drücken, während der Aufwand in den USA – dank Check the Box – ein zweites Mal verwertet werden kann. Das nennt man dann „Double dip“.

„Das ist schon merkwürdig“, sagte Gunter Mayr, Sektionschef im Finanzministerium und Professor am Juridicum, leicht resignativ. Die USA werden sich durch Österreich wohl kaum von ihrem System abbringen lassen. Großbetriebsprüfer Steiner plädierte dafür, dass Europa zusammenrückt: „Schützen wir doch wenigstens die europäischen Unternehmen vor amerikanischen, deren Gewinne explodieren und die europäische Unternehmen aufkaufen.“ Steiner: „Das ist wettbewerbsverzerrend Ende nie.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2013)

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