Kartellschäden: Nachweis schwierig

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Ein EuGH-Urteil erleichtert es für Geschädigte, Akteneinsicht zu bekommen. Die Latte für Ersatzforderungen liegt aber immer noch hoch.

Wien. Die Liste heimischer Unternehmen, die schon Besuch von den Wettbewerbshütern bekamen, wird immer länger. Seit 2011 führte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) laut ihrem Sprecher Stefan Keznickl in Österreich 59 Hausdurchsuchungen durch, davon 50 auf eigene Initiative, den Rest im Auftrag der EU-Kommission. Betroffen waren unter anderem Spar, Rewe, Agrana, Philips, Saturn/Mediamarkt, mehrere Baustoffhändler sowie zahlreiche Molkereien und Bierbrauer.

Zum Vergleich: In den beiden Jahren davor gab es nur je einen Behördenbesuch, jeweils beim Feuerwehrausstatter Rosenbauer– wobei der erste noch keine Hausdurchsuchung im technischen Sinn war.

Heuer fielen auch schon mehrere Bußgeldentscheidungen: gegen Rewe, Philips, Berglandmilch sowie – in Sachen Dämmstoffkartell – gegen Bauhaus und den Dämmstoffhersteller Steinbacher. Über Hornbach, Baumax und Obi wurden in derselben Angelegenheit schon im November 2012 Geldbußen verhängt. Ottakringer, Brau-Union und Stiegl zahlten ebenfalls im Vorjahr wegen Preisabsprachen Bußgeld.

Bessere Karten für Geschädigte

Auch Schadenersatzforderungen sollten künftig leichter durchsetzbar werden. Eine EuGH-Entscheidung vom vergangenen Juni zum Druckchemikalienkartell, auch als „Fall Donau-Chemie“ bekannt, erweitert die Möglichkeiten für Geschädigte, Einsicht in Kartellgerichtsakten zu bekommen. Zwar sieht die österreichische Rechtslage Akteneinsicht nur mit Zustimmung der am Bußgeldverfahren beteiligten Parteien vor, laut EuGH widerspricht diese Bestimmung aber dem „Effektivitätsgrundsatz“ des europäischen Kartellrechts.

Das heißt, „dass alles getan werden muss, um dem Kartellrecht zur Wirksamkeit zu verhelfen“, so Bernhard Girsch, Kartellrechtsexperte bei BKP Rechtsanwälte. Nationale Vorschriften dürfen laut dem EU-Gericht nicht so ausgestaltet sein, dass sie Schadenersatzforderungen unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Wenn Geschädigte Einsicht in Kartellakten verlangen, muss das Gericht jetzt in jedem Einzelfall die Interessen beider Seiten abwägen. Raoul Hoffer, Kartellrechtsexperte bei Binder Grösswang, erwartet, dass diese Abwägung wohl in den meisten Fällen so ausgehen wird, dass weitgehend Akteneinsicht gegeben wird– wenn auch vielleicht nicht gerade in den Kronzeugenantrag.

Kronzeugenschutz war bislang das Hauptargument gegen die Akteneinsicht. Der Effektivitätsgrundsatz könnte auch dafür ins Treffen geführt werden – die meisten Kartellverfahren, auch in Österreich, kamen durch Kronzeugen ins Rollen. Ob es künftig weiterhin so viele Kronzeugenanträge geben werde, sei fraglich, sagt Girsch. Immerhin gehen Kronzeugen jetzt ein größeres Risiko ein.

Wird die erleichterte Akteneinsicht aber wirklich zu mehr Schadenersatzklagen gegen Kartellanten führen? Das möglicherweise schon. Dass sich die Fälle künftig häufen werden, ist aber auch wieder nicht zu erwarten. „Laut einer Studie der Europäischen Kommission kommt es bei fast jedem Kartell zu einem finanziellen Schaden“, so Hoffer. „Erschwert wird die Geltendmachung in Österreich allerdings dadurch, dass die Beweislastverteilung zum Nachweis des Schadens noch nicht geklärt ist.“

Besonders für Konsumenten als potenziell Geschädigte bleibt die Beweisführung schwierig, schon allein wegen der geringen Beträge beim einzelnen Einkauf. Methoden zur Bemessung von Kartellschäden gibt es zwar: So kann etwa das Preisniveau im betroffenen Markt mit dem eines geografisch benachbarten Marktes verglichen werden. Oder es wird versucht, von unten nach oben – beginnend vom Einkaufspreis über diverse Kostenpositionen bis hin zum Aufschlag einer marktüblichen Marge – zu errechnen, welcher Preis unter Wettbewerbsdruck zustande gekommen wäre. Dagegen gibt es aber oft auch plausible Gegenargumente, zum Beispiel, dass die verglichenen Märkte eben doch nicht gleichartig sind.

Umstrittene Settlements

Dazu kommt, dass in Österreich bislang in den meisten Fällen ein Settlement zwischen Kartellanten und Bundeswettbewerbsbehörde zustande kam. Dabei erkennt das Unternehmen die Vorwürfe an, der Bußgeldantrag der BWB an das Kartellgericht fällt im Gegenzug niedriger aus. Und das Urteil ergeht – wenn das Gericht dem Antrag der Behörde folgt – ohne aufwendiges Beweisverfahren. Die Gerichtsakten haben in solchen Fällen wenig Aussagekraft für Schadenersatzkläger. Deshalb – und auch, weil manche rechtlichen Streitfragen dadurch ungeklärt bleiben – stoßen solche Settlements zum Teil auf Kritik. Hoffer sieht das anders: „Erreicht werden soll doch, dass wettbewerbswidrige Absprachen künftig unterbleiben. Und da haben auch Settlements eine starke Signalwirkung, genauso wie ein Kartellgerichtsurteil nach einem aufwendigen Verfahren.“

Auf einen Blick

Im Fall Donau-Chemie (C-536/11) ging es um einen Antrag auf Akteneinsicht des österreichischen Verbandes Druck- & Medientechnik. Das Kartellgesetz erlaubt das nur bei Zustimmung der Parteien – das Kartellgericht legte die Frage deshalb dem EuGH vor. Dieser hatte schon zuvor im Fall Pfleiderer (C-360/09) entschieden, dass eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

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