Arbeitsmarkt: "Hinausgeschützt ist auch arbeitslos"

Arbeitsmarkt, Job
Arbeitsmarkt, Job(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Heute soll das Arbeitsmarktpaket beschlossen werden. Eines der Ziele: mehr Jobs für Ältere. Experten meinen aber, die arbeitsrechtlichen Barrieren seien zu hoch.

Wien. Heute, Donnerstag, steht im Nationalrat das Arbeitsmarktpaket auf der Agenda. Es soll eine kleine Lohnnebenkostensenkung bringen – konkret die Reduzierung des Unfallversicherungsbeitrags um 0,1 Prozent auf 1,3 Prozent ab Juli 2014 und eine Senkung des Arbeitgeberbeitrags zum Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) von 0,55 Prozent auf 0,45 Prozent ab Jänner 2015. Vor allem aber soll mehr Geld für die Integration Älterer in den Arbeitsmarkt bereitgestellt werden, etwa für die Eingliederungsbeihilfe. Dafür hofft man auf Einsparungen beim Arbeitslosengeld.

Die Förderungen seien attraktiv, sagt Ecovis-Arbeitsrechtsexpertin Maria Sablatnig. So können Arbeitgeber, die einen vorgemerkten Arbeitslosen ab 45 einstellen, bis zu 66,7 Prozent des Monatsbruttoentgelts vom AMS zurückbekommen, auch ein Steuerzuckerl lockt (Details siehe unten). Ein Rechtsanspruch darauf besteht allerdings nicht. Ob, in welcher Höhe und wie lange man die Beihilfe bekommt, wird im Einzelfall – und laut AMS „nach arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen“ – entschieden. Nach bisheriger Erfahrung werde die Förderung nur selten in vollem Ausmaß gewährt, sagt Sablatnig.

Der Arbeiterkammer sind diese Maßnahmen denn auch zu wenig. AK-Chef Rudolf Kaske möchte ein Bonus-Malus-System zugunsten Älterer, und zwar am liebsten gleich und nicht, wie geplant, erst 2017.

Barriere in der Arbeitsverfassung?

Was zu der Grundsatzfrage führt, warum sich das Problem, dass Menschen ab 45 schwerer einen Job finden, gar so hartnäckig hält – trotz des demografischen Wandels und auch in Berufen, in denen von einem zwangsläufigen Leistungsabfall Älterer keine Rede sein kann. So ist es gang und gäbe, dass Personalberater, wenn etwa der Posten einer Büroleiterin ausgeschrieben ist, den Arbeitgeber fragen, ob Bewerbungen von 45-Jährigen überhaupt geprüft werden sollen. Dass ältere Arbeitskräfte teurer sind, ist zwar eine Erklärung, trifft aber– gerade bei Neueinstellungen – auch nicht immer zu. Und dass sich Arbeitgeber vor der Erfahrung älterer Mitarbeiter fürchten („Besserwisser brauchen wir da nicht“), ist zwar exakt so schon vorgekommen, aber ebenfalls kein allgemeines Phänomen.

Arbeitsrechtsexperten meinen, eine Ursache für die Vorbehalte könnte in überzogenen Schutzbestimmungen liegen. Konkret geht es um das Arbeitsverfassungsgesetz, das die Anfechtung von Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit ermöglicht und dabei eine Sonderregelung für Ältere enthält: Bei ihnen seien der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Unternehmen und die „wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess“ besonders zu berücksichtigen, heißt es da. Für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung 50 Jahre und älter sind, gilt das „ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahrs“. Wer in diesem Alter einen neuen Job antritt, steht also schon nach zwei Jahren faktisch unter Kündigungsschutz.

Arbeitsrechtsexperte Hannes Füreder, Partner in der Kanzlei Siemer Siegl Füreder, findet dafür deutliche Worte: „Warum diskriminiert man 50-Jährige so – und das ungeachtet der demografischen Gegebenheiten?“ De facto bekomme man ab 50 höchstens noch einen befristeten Job für zwei Jahre. Man werde aus dem Arbeitsmarkt hinausgeschützt, „und hinausgeschützt ist auch arbeitslos“. Jede Grenze sei eine Barriere, sagt Füreder. Fördermaßnahmen, die noch dazu ebenfalls befristet sind, könnten da wenig ausrichten.

Alter gilt als größtes Jobhindernis

Philipp Maier, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche, sieht das ähnlich: „Obwohl bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung theoretisch eine Vielzahl von Kriterien heranzuziehen ist, konzentrieren sich die Gerichte in der Praxis vor allem darauf, ob der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit einen vergleichbaren Arbeitsplatz findet. Und fortgeschrittenes Alter wird als größtes Hindernis dafür angesehen.“ Der Grund für die Zurückhaltung bei der Einstellung Älterer liege oft weniger darin, dass diese nicht die gleichen Leistungen erbringen könnten wie Jüngere oder nicht so gut in den Arbeitsprozess integriert werden könnten. „Sondern an diesem erhöhten Kündigungsschutz.“ Auch er nennt das De-facto-Diskriminierung – und würde es als Erleichterung sehen, „wenn der gesetzliche Kündigungsschutz gegen echte arbeitsrechtliche Anreize zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ausgetauscht wird“.

Staatliche Förderung unternehmensinterner Weiterbildungs- oder Umschulungsprogramme sei hier durchaus sinnvoll, sagt Maier. Sablatnig sieht das ähnlich, sie ortet außerdem ein gewisses Informationsdefizit bei den Unternehmen über die bestehenden Möglichkeiten. Füreder plädiert dafür, den speziellen Kündigungsschutz für neu eingestellte über 50-Jährige abzuschaffen. Oder den Betroffenen zumindest die Möglichkeit zu geben, darauf zu verzichten.

EINGLIEDERUNGSBEIHILFE

Wer wird gefördert? Die Beihilfe gibt es für mehrere Gruppen: vorgemerkte Arbeitslose ab 45Jahren (bisher: Männer ab 50, Frauen ab 45Jahren), Arbeitssuchende unter 25 Jahren, die mindestens sechs Monate als arbeitslos vorgemerkt sind, Arbeitssuchende über 25 Jahren mit mehr als zwölf Monaten Vormerkdauer und für Personen, die akut von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind (laut Ecovis-Expertin Maria Sablatnig etwa Wiedereinsteiger oder Ausbildungsabsolventen mit fehlender Berufspraxis). Die maximale Förderungsdauer beträgt drei Jahre (bisher: zwei Jahre), die maximale Höhe 66,7 Prozent der Bemessungsgrundlage (monatliches Bruttoentgelt ohne Sonderzahlungen, Überstunden, Zulagen) plus 50 Prozent Pauschale für Nebenkosten.

Auch steuerlich kann man die Eingliederungsbeihilfe nützen: An sich sind zwar Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nicht abzugsfähig, bei dieser Förderung gilt das aber nicht (wegen des über den Empfänger hinausgehenden Förderungszwecks). Man kann die vollen Bezüge des Mitarbeiters steuerlich geltend machen, obwohl man einen Teil vom AMS refundiert erhält.

Wichtig: Der Arbeitgeber muss die Förderung beim AMS beantragen, bevor er den Mitarbeiter anstellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2014)

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