„Eine Abfuhr an die Praxis der FMA“

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VwGH. Ab wann muss ein börsenotiertes Unternehmen eine Information ad hoc melden? „Nach den jüngsten Erkenntnissen des VwGH herrscht nun Klarheit“, sagt Clemens Hasenauer.

Die Presse: Gleich zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) haben in den vergangenen zwei Wochen für Aufmerksamkeit gesorgt. Die eine betrifft Herbert Stepic, den früheren RBI-Chef, die andere Wolfgang Ruttenstorfer, den ehemaligen Generaldirektor der OMV. Worum geht es?

Clemens Hasenauer: Erstmals seit der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) im Jahr 2004 hat sich der VwGH damit auseinandergesetzt, zu welchem Zeitpunkt für börsenotierte Unternehmen die Pflicht zu einer Ad-hoc-Meldung besteht.

Was ist die Problematik dabei?

Börsenotierte Unternehmen stehen immer wieder vor der Entscheidung, wann sie Informationen ad hoc zu melden haben. Es geht darum, zwischen den Interessen eines verständigen Anlegers und denen des Unternehmens abzuwägen. Wenn ein Emittent in einer sehr frühen Phase eines Projekts Informationen preisgibt, kann das dazu führen, dass Anleger oder potenzielle Geschäftspartner verunsichert werden und in Folge die gesamte Transaktion gefährdet wird. Mit den beiden aktuellen Erkenntnissen hat der VwGH nun Klarheit geschaffen.

Inwiefern?

Für den österreichischen Kapitalmarkt sind sie richtungsweisend, weil sich der VwGH intensiv mit der zuletzt ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auseinandersetzt und börsenotierten Unternehmen eine praxistaugliche Anleitung gibt, zu welchem Zeitpunkt sie ein Projekt zu melden haben.

Wann also müssen sie ad hoc melden?

Der VwGH stimmt mit dem EuGH überein, dass Zwischenschritte einer Transaktion zwar relevant sind, eine Ad-hoc-Meldung aber nur dann vorzunehmen ist, wenn die Durchführung des Projekts tatsächlich erwartet werden kann.

Im Fall Stepic ging es um die Zeit vor der Fusion der Raiffeisen International (RI) und der Raiffeisen Zentralbank (RZB). In einer Vorstandssitzung der RZB im November 2009 wurde der Beschluss gefasst, das Merger-Projekt zu starten. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) war der Auffassung, dass bereits dieser Beschluss eine ad-hoc-meldepflichtige Insiderinformation dargestellt hat.

Dem ist eben nicht so. Eine Meldepflicht besteht erst dann, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass ein Projekt tatsächlich durchgeführt wird und im Wesentlichen auch klar ist, in welcher Weise das passieren soll. Der Auslegungspraxis der FMA, die ja immer davon ausging, dass jede strategische Entscheidung möglichst früh zu melden ist, hat der VwGH nun eine Abfuhr erteilt. Der Gerichtshof sagt in dem Stepic/RBI-Erkenntnis ausdrücklich, dass „bei einer Annahme einer Publizitätspflicht in einem sehr frühen Stadium interner Vorüberlegungen eine Gefahr für das Unternehmen besteht“.

Die FMA argumentierte stets, dass in jenen Fällen, in denen dem berechtigten Interesse des Emittenten durch eine Ad-hoc-Meldung geschadet werden könnte, ohnehin die Möglichkeit eines Aufschubs besteht. Der ist vorweg der FMA zu melden.

Diese Regelung ist kein Allheilmittel und die Vorabmeldung in Europa nahezu ein Unikum. In Deutschland etwa meldet der Emittent den Aufschub der Behörde im Nachhinein. Das ist auch sinnvoller.

Weshalb?

Der Emittent ist ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufschubs dauernd am Radar der FMA und umgekehrt steht die Behörde unter Zugzwang.

Es stört Sie also, dass der Emittent in Österreich schon so früh im Visier der Behörde ist?

Natürlich. Es ist ja nicht so, dass man nach der deutschen Regelung der Kontrolle der Aufsichtsbehörde entkommt. Dort muss man eben nur zu einem späteren Zeitpunkt die Entscheidungsgründe offenlegen, und dann wird geprüft, ob alles korrekt war.

Aber die Vorabmeldung hat noch einen anderen Nachteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen bei einem Aufschub mit der FMA Probleme bekommt, ist groß. Denn was ein Emittent heute vermeintlich als Insiderinformation bekannt geben würde, kann sich inhaltlich schlagartig binnen weniger Tage völlig verändern. Denken Sie an den Preis, die Transaktionsstruktur, die Bedingungen von Kundenverträgen und vieles mehr. Die Folge ist, dass man sich fast automatisch vor der FMA rechtfertigen muss, weshalb schlussendlich die Ad-hoc-Meldung anders gelautet hat als ursprünglich bekannt gegeben wurde. Allerdings, rechtlich kommt es natürlich nur auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung an.

Der Aufschub löst das Problem des Emittenten nicht?

Der Ansatz der FMA, dass der Aufschub quasi der Normalfall sein soll, ist aus meiner Sicht falsch. Ich finde, der Aufschub sollte die Ausnahme sein. Entscheidend ist, dass es einmal eine funktionierende, praxistaugliche Grundregel gibt. Dafür hat der VwGH jetzt gesorgt.

ZUR PERSON

Clemens Hasenauer ist Managing- Partner der Wirtschaftskanzlei CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind M&A, Kapitalmarkt- und Übernahmerecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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