Miete: Enteignung und „Strafsteuer“ bringen nichts

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Rot-Grün überbietet sich mit Vorschlägen für billigere Mieten in Wien, die in der Praxis nicht umsetzbar sind.

Wien. Die Mieten in Wien steigen (auf dem freien Markt) enorm, die hitzige Diskussion auf Bundesebene reißt nicht ab. Diese Situation beeinflusst direkt den anlaufenden Wiener Wahlkampf.

Die aktuelle Situation: Die Grünen versuchen, dieses emotionale Thema wieder zurückzuholen, das Maria Vassilakou mit ihrer Forderung nach sieben Euro Mietobergrenze pro Quadratmeter 2012 losgetreten hatte. Immerhin hatte die SPÖ den Grünen die Themenführerschaft mit zahlreichen Vorstößen wieder abgenommen. Dazu gehört auch die jüngste Regelung in der strittigen Thermen-Frage und die aktuellen SPÖ-Forderung nach einer Leerstandsabgabe für nicht vermietete Wohnungen.

Für die Grünen rückt nun regelmäßig Planungssprecher Christoph Chorherr aus. Anfang August hatte er im „Presse“-Interview erstmals die Enteignung von Grundeigentümern als „ultimo ratio“ gefordert, um günstig Flächen für den sozialen Wohnbau zu lukrieren. Und am Montag setzte Chorherr nach. Mit Vorschlägen, die rechtlich bzw. politisch kaum durchsetzbar sind.

Als erstes fordert Chorherr eine „Spekulationsbremse“. Die Stadt soll Eintrittsrechte in Kaufverträge erhalten, also ein Vorkaufsrecht. Als Beispiel nannte der Grüne ein Betriebsareal in Penzing, dessen Kaufpreis 1000 Euro/m2 beträgt, was für den sozialen Wohnbau (Grenze: 250 Euro/m2)unleistbar sei. Der Schönheitsfehler: Selbst wenn die Stadt das Vorkaufsrecht erhält, wird sie sich derartige Areale nicht leisten können – wenn das Areal diesen Wert besitzt. Alles andere wäre eine kalte Enteignung eines privaten Besitzers, also weder rechtlich noch politisch durchsetzbar.

Eine grundsätzlich umsetzbare grüne Idee ist die „Null-Euro-Nachverdichtung“. Die Stadt verfügt über zahlreiche Flächen, die großzügig angelegt wurden und verdichtet werden können. Nur: Das betrifft die Wiener Gemeindebauten. Und dort wohnt das SPÖ-Klientel, das sich massiv wehren würde – mit Hilfe der SPÖ. Dass bestehende Parkplätze bei Gemeindebauten unter die Erde sollen, damit oben neue Wohnungen entstehen, klingt gut, hat aber einen Haken: Kein sozial schwacher Gemeindebaubewohner würde akzeptieren, dass er plötzlich etwa 100Euro monatlich für einen Tiefgaragenplatz zahlen muss, weil sein Gratis-Parkplatz für weitere Wohnungen geopfert wird, und er dafür auch noch eine höhere Bevölkerungsdichte in den sozial schwierigen Arealen bekommt.

Die dritte grüne Kernforderung ist differenzierter zu betrachten. Die Stadt soll künftig Baurechte vergeben anstatt Grundstücke zu verkaufen. Damit hätte die Stadt weiter Einfluss auf die Nutzung, könnte die Flächen für sozialen Wohnbau nutzen und langfristig sichern. Nur: Einerseits wird das teilweise bereits gemacht, andererseits hätte das seinen Preis: Ausschließlich Baurechtsvergaben würden der Stadt massive Verluste bringen (Chorherr sprach vor einem Jahr von bis zu 15 Prozent Minus gegenüber einem Verkauf). Und das in einer Zeit, in der die Wiener Kassen leer sind.

Leerstandsabgabe unrealistisch

Zusammengefasst könnte man die Vorschläge so bewerten: Sie klingen PR-mäßig gut, sind aber in der Praxis undurchführbar. Ebenso verhält es sich mit der SPÖ-Idee einer Leerstandsabgabe, für die Bürgermeister Michael Häupl Sympathien zeigt. Eine Abgabe auf unvermietete Wohnungen geht ohne Bund, also ÖVP, nicht. Und die ist strikt dagegen. Auch gibt es keine Zahlen über leer stehende Wohnungen in Wien. Zusätzlich würde die Abgabe wenig bringen. Kaum ein Eigentümer lässt seine Wohnung freiwillig leer stehen – bringt sie doch wegen der Betriebskosten und laufenden Instandhaltungsarbeiten Verluste: Viele Wohnungen, die leer stehen, werden gerade saniert. Oder warten noch auf Mieter.

AUF EINEN BLICK

Grüne und SPÖ überbieten sich derzeit, im anlaufenden Wien-Wahlkampf, mit zahlreichen Vorschlägen für billigere Mieten. Die meisten Vorschläge klingen gut, sind in der Praxis allerdings nicht durchführbar – weil sie oft gesetzeswidrig sind und wenig bringen würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)

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