Wo darf ein Fluggast klagen?

INBETRIEBNAHME 'CHECK-IN 3' AM  FLUGHAFEN WIEN-SCHWECHAT
INBETRIEBNAHME 'CHECK-IN 3' AM FLUGHAFEN WIEN-SCHWECHATAPA/HELMUT FOHRINGER
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Wo kann ein Fluggast klagen, wenn seine Reise aus mehreren Teilstrecken besteht? Der Bundesgerichtshof legt diese Frage nun dem Europäischen Gerichtshof vor.

Wien. Ein Mann buchte bei der Fluggesellschaft Air France unter deren Flugnummer eine Flugverbindung von Stuttgart über Paris nach Helsinki. Die erste Etappe der Reise fliegt der Passagier tatsächlich mit der Air France. Die zweite von Paris nach Helsinki übernahm die Finnair als Partner der Air France. Der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke hatte eine Verspätung von drei Stunden und zwanzig Minuten.

Der Fluggast verlangte deshalb von der Finnair eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 400 Euro und berief sich dabei auf EU-Fluggastrechteverordnung. Die Klage brachte er beim Amtsgericht Nürtingen ein, in dessen Bezirk der Flughafen Stuttgart liegt.

Die finnische Airline macht jedoch geltend, sie könne gar nicht in Deutschland geklagt werden, ihr Sitz befände sich nämlich in Finnland. Das Amtsgericht teilte die Ansicht der Beklagten und wies die Klage prompt mangels Zuständigkeit deutscher Gerichte ab. Der Kläger berief gegen das Urteil beim Landesgericht Stuttgart - ohne Erfolg. So landete die Causa von dem Bundesgerichtshof (BGH).

Konstellation ist neu

Der Anwalt des Klägers argumentierte, sein Klient sei bereits in Stuttgart für die zweite Teilstrecke abgefertigt worden. Deshalb seien sehr wohl deutsche Gerichte für den Fall zuständig. Der BGH deutete an, ebenfalls zu dieser Rechtsauffassung zu tendieren. Da sich „die Bewertung der vorliegenden Fallkonstellation nicht hinreichend sicher aus der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ableiten lässst“, wendete er sich jedoch an den EuGH.

Der EuGH hat zwar in der Rechtssache Rehder (EuGH-Urteil vom 9.Juli 2009) schon entschieden, dass der Kläger bei der Durchsetzung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zwischen dem Gericht des Ortes des Abflugs und dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs wählen kann. Diese Entscheidung betraf aber eine eingliedrige Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgeführt wurde.

Mit seiner Anfrage an den EuGH will der BGH in Erfahrung bringen, wie die Brüssel-I-Verordnung auszulegen ist. Sie regelt die gerichtliche Zuständigkeit und Vollziehung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der EU.

Konkret will der BGH wissen, ob es für die gerichtliche Zuständigkeit eine Rolle spielt, dass der Passagier nicht der Vertragspartner der Finnair, sondern der Air France war. Und ist bei eine Personenbeförderung, die aus mehreren Flügen besteht, der Abflugsort der Erfüllungsort, und zwar auch dann wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird?

Eine Großzahl von Flügen wird heute im Wege des Code-Sharing durchgeführt und der Fluggast weiß vorweg oft gar nicht, welche Fluglinie ihn tatsächlich zum Ziel bringen. Die Interpretation des EuGHwirdFluggäste wie Fluglinien gleichermaßen interessieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)


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