„Vertretungsärzte sind meist Freiberufler, keine Dienstnehmer“

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Um das ungewollte Entstehen eines Dienstverhältnisses zu vermeiden, brauche es keine komplizierten Verträge, sagt ein Medizinrechtsexperte.

Wien. Können Vertretungsärzte in Ordinationen zu „Dienstnehmern wider Willen“ werden? Darum ging es kürzlich in einem Artikel in der „Presse“. Anlass war eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob nach dem Gesamtbild der Tätigkeit Merkmale der Selbstständigkeit oder der Unselbstständigkeit überwiegen (2011/15/0122).

Ärzten, die fallweise eine Vertretung brauchen, macht das Sorgen – wegen der höheren Kosten im Fall einer Anstellung, vor allem aber, weil ein niedergelassener Arzt laut Ärztegesetz gar keinen anderen Mediziner in seiner Ordination anstellen darf. Dazu meldete sich nun der auf Medizinrecht spezialisierte Jurist Paul Kessler zu Wort. Er hält die Sorge, Ordinationsvertretungen könnten als Dienstnehmer qualifiziert werden, für weitgehend unbegründet – diese Tätigkeit werde wohl zu Recht als überwiegend freiberuflich angesehen. Die Judikatur zur Frage, ob Vertretungsärzte als Selbstständige oder als Dienstnehmer zu qualifizieren sind, reiche bis in die 80er-Jahre zurück. „Der VwGH sprach schon damals aus, dass der ärztlichen Tätigkeit ein hohes Maß an Selbstständigkeit innewohnt.“

Für die Qualifizierung als Arbeitnehmer komme es darauf an, ob der Vertretungsarzt an die Weisungen des Ordinationsinhabers gebunden ist. Der VwGH unterscheide zwei Arten der Weisungsbindung: eine persönliche – diese liege dann vor, „wenn der Ordinationsinhaber seinem Vertreter konkrete Arbeitsanweisungen gibt und er somit die Bestimmungsfreiheit des Vertreters weitgehend ausschaltet“. Und eine sachliche, durch die der Vertreter an gewisse organisatorische Rahmenbedingungen gebunden wird. „Da die Vertretungstätigkeit im Normalfall in Abwesenheit des Ordinationsinhabers erfolgt, wird eine persönliche Weisungsbindung nur in seltenen Ausnahmefällen vorliegen“, sagt Kessler. Dem Vertreter vorzuschreiben, wann er eine Vertretung übernehmen soll, sei aber zulässig. Ebenso dürfe der Inhaber Informationen und Berichte über Patienten und Untersuchungen verlangen.

Der Vertreter des Vertreters

In der bisherigen Diskussion ging es auch darum, ob die eingeschränkte Möglichkeit des Vertreters, sich selbst vertreten zu lassen, dazu führen kann, dass doch ein Dienstverhältnis vorliegt. In einem Fall, in dem es jedoch nicht um eine Ordinationsvertretung, sondern um eine für die AUVA tätige Arbeitsmedizinerin ging, hatte der Verwaltungsgerichtshof das als Kriterium herangezogen (2013/08/01217).

Auf niedergelassene Vertragsärzte lasse sich das aber nicht übertragen, meint Kessler: Für sie ergebe sich die eingeschränkte Vertretungsmöglichkeit „schon aus dem Einzelvertrag mit den Sozialversicherungsträgern und dem Gesamtvertrag. Diese Verträge regeln, dass Vertretungen meldepflichtig sind und dass der Ordinationsinhaber für eine Vertretung – unter Haftung für die Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen – Sorge zu tragen hat. Die Meldepflicht und das verstärkte Haftungsregime rechtfertigen, dass die Vertretungsmöglichkeit des Vertreters beschränkbar ist.“ Bei kurzen Abwesenheiten bestehe zwar weder Vertretungs- noch Meldepflicht. Trotzdem dürfe auch hier das Vertretungsrecht beschränkt werden: „Der Vertreter hat Zugriff auf sämtliche Patientendaten des Ordinationsinhabers sowie regelmäßig auch auf dessen Geschäftsgeheimnisse.“ Da sei es nur konsequent, ihm kein unbeschränktes Vertretungsrecht zuzusprechen. Vor diesem Hintergrund seien Vertretungsärzte auch ohne komplizierte vertragliche Regelungen regelmäßig keine Dienstnehmer, meint Kessler. Dienstnehmer seien sie nur, wenn sie den persönlichen Weisungen des Ordinationsinhabers unterliegen. In der Praxis sind solche Sachverhalte die Ausnahme und nicht die Regel.“ (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

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