Schleichwerbung 4.0: „Alter Hut in neuem Gewand“

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Wettbewerbsrecht. Marketing bekommt in Zeiten von Facebook und Instagram ein neues Gesicht. Die rechtliche Sensibilisierung hinkt hinterher.

Wien. Sie müssen nicht verzweifeln, wenn Ihnen der Name Essena O'Neill nichts sagt. Dennoch war die 19-jährige Australierin für mehr als eine halbe Million Nutzer des Online-Fotodienstes Instagram ein Star. Bis sie vergangenen Herbst ausstieg: Die Kleider, die sie dort trage, wären gesponsert. Die Bilder gestellt. Und generell sei das alles eine lukrative Show gewesen, nicht das reale Leben.

Diese Enthüllungen mögen jetzt wenige erstaunen, werfen aber ein Schlaglicht auf das rechtliche Kurzzeitgedächtnis im Umgang mit dem neuen Medium. Schleichwerbung hat ein modernes Mäntelchen bekommen. Sie präsentiert sich heute subtil verpackt in perfekten Aufnahmen von Hollywoodstars, Sportlern oder sogenannten Social Influencers, wie O'Neill eine war. Nur in den seltensten Fällen versehen diese ihre Bilder mit dem Schlagwort „sponsored“ oder „ad“.

Ratgeber oder Instrument?

Man möchte ja doch lieber als selbstbestimmter Ratgeber, denn als fremdgesteuertes Marketinginstrument wahrgenommen werden. Und selbst wenn sie den Werbecharakter offenlegen, ist umstritten, ob der knappe, fremdsprachige Hinweis in Form eines Hashtags ausreicht. Einen „alten Hut in neuem Gewand“ nennt Axel Anderl, Spezialist für IT- und Social-Media-Recht bei Dorda Brugger Jordis, die im digitalen Zeitalter angekommenen, wettbewerbsrechtlichen Verstöße. Ganz allgemein gilt in Österreich: Werbung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) eindeutig als solche auszuweisen. Spezieller ist das auch in Sondernormen wie dem Mediengesetz, dem ORF-Gesetz und dem E-Commerce-Gesetz festgelegt. Im Pre-Facebook-Zeitalter, beispielsweise im Kampf gegen vermeintlich redaktionell unabhängige Beiträge, konzipiert, stellen diese jedoch zahnlose Werkzeuge im Umgang mit Social-Media-Phänomenen dar. Wie man ihrer habhaft wird, sei laut Georg Kresbach, Leiter der IT/IP–Praxisgruppe bei Wolf Theiss „keine klare Sache – darum hat auch noch keiner die Diskussion angezündet“.

Bleibt dennoch der Rückgriff auf das UWG, das irreführende Geschäftspraktiken als unlauter und damit rechtswidrig qualifiziert. Im Anhang zu § 2, der sogenannten schwarzen Liste, die per se verbotene Handlungen aufzählt, findet sich darüber hinaus der Tatbestand des „fälschlichen Auftretens als Verbraucher“, der auch schlagend werden kann.

Stellt sich die moderne Gretchenfrage: Hätte der Verbraucher auch gekauft, wenn er gewusst hätte, dass die hübsche Fashion-Bloggerin ihr hochgelobtes Kleid, Tablet oder Parfum geschenkt bekommt oder gar einen Vertrag über regelmäßige marketingwirksame Instagram–Einträge abgeschlossen hat?

Die rechtliche Bewertung hängt laut Kresbachs Kollegin Eva Heil von zwei Faktoren ab. Einerseits von der erreichten Kundengruppe: Da Instagram, das in Österreich laut Social-Media Radar Austria rund 340.000 Nutzer zählt, tendenziell Jüngere anspricht, sei aufgrund des hohen Gefährdungspotentials ein strengerer Prüfmaßstab anzulegen. Das sieht auch Anderl so, er führt jedoch ebenso ins Treffen: „Man muss die Brille des Kanals aufsetzen, der eine technik-affine, hippere Schicht anzieht. Diese ist gegen diese Art der Schleichwerbung geeichter.“

Zudem muss man den Bekanntheitsgrad des Werbenden berücksichtigen. Bei Prominenten, von denen weithin bekannt ist, dass sie Markenbotschafter sind, wird dem Nutzer eher bewusst sein, dass im Urlaubsfoto Werbung versteckt ist, als bei einem Blogger, der seine Reichweite auf Social-Media-Kanälen mithilfe von landläufig unbekannten PR-Agenturen zu Geld macht.

Eine Reform des Wettbewerbsrechts, die dem digitalen Wandel Tribut zollt, sehen die Experten vorerst nicht kommen. „Noch mehr Informationspflichten würden überhaupt nichts bringen“, sagt Anderl mit Verweis auf den den „riesigen Graubereich“, den es auch bei älteren, regulierten Medien nach wie vor gibt. Und Kresbach fügt hinzu: „Der Markt muss sich selbst regulieren.“ Allzu aufdringliche, offensichtliche Schleichwerbung führe sowieso zu einem Imageverlust beim Kunden. Gegen besser getarntes Marketing steht Konkurrenten wie Konsumentenschutzverbänden gegen das beworbene Unternehmen Klage auf Unterlassung offen. Und auch der Blogger, der das Profil betreibt, haftet – vorausgesetzt, ihm kann im Einzelfall eine Bereicherungsabsicht nachgewiesen werden. Bisher gibt es in Österreich jedoch noch keine Judikatur zu der konkreten Rechtsfrage an der Schnittstelle von UWG und Instagram.

O'Neill ruft mittlerweile übrigens zum Boykott der oberflächlichen Social-Media-Welt auf – via Instagram. Die Authentizität sei dahingestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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