"Frauen bremsen sich auch selbst aus"

Birgit Vogt und Katharina Körber.
Birgit Vogt und Katharina Körber.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Interview. Partnerinnen gibt es in Österreichs Wirtschaftskanzleien immer noch kaum. Birgit Vogt und Katharina Körber gehören zu den wenigen, die in die Männerdomäne vorgedrungen sind.

Die Presse: Frau Vogt, Sie wurden vor zwölf Jahren Equity-Partnerin in der Kanzlei Kunz Schima Wallentin. Mit Jahresbeginn wurden endlich fünf neue Partner ernannt. Nur eine von ihnen, Katharina Körber, ist eine Frau. Eigentlich ein schlechter Schnitt, wenngleich viele der österreichischen Wirtschaftskanzleien nicht einmal auf diesen kommen.

Birgit Vogt: Ich kann nur von unserer Kanzlei sprechen. Bei uns wird keine Frau gebremst. Unsere Erfahrung aus der Praxis ist aber, dass sich Frauen teilweise selbst ausbremsen. Wir hätten uns auch gefreut, wenn unter den neuen Partnern mehr Frauen wären.

Aber warum sollten sich Frauen ausbremsen, wenn sie alle Chancen vorfinden?

Katharina Körber: Ich habe mir das auch überlegt, denn das Ungleichgewicht in Wirtschaftskanzleien ist tatsächlich krass. Equity-Partnerinnen (Anm.: solche, die an der Gesellschaft beteiligt sind) machen ein paar Promille aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: Historisch gesehen investieren Frauen erst seit Kurzem so viel Zeit in ihren Beruf. In den 100 Jahren davor waren das Männer, und sie haben eben auch ihre Strukturen gebastelt. Das ist nicht vorwerfbar. Aber es dauert lang, bis sich Festgefahrenes öffnet. Andererseits sind bei Frauen manchmal bestimmte Charaktereigenschaften, die für Wirtschaftsanwälte offenbar notwendig sind, insbesondere ein fast übersteigertes Selbstbewusstsein, nicht immer gleich ausgeprägt wie bei Männern. Das kann man auch als Kritik am Berufsbild auffassen.

Vogt: Noch etwas anderes spielt eine Rolle: Du stehst als Frau unter einem viel größeren gesellschaftlichen Druck als ein Mann, wenn du deine Karriere nicht zugunsten des Partners zurückstellst. Sagt eine Frau, „ich bin gut und ehrgeizig, ich will etwas erreichen“, heißt es doch gleich: „Wie kannst du das deiner Familie antun?“ Man braucht einfach ein Umfeld, das einen unterstützt. Denn eines ist klar, jeder Anwalt, jede Anwältin muss für den Mandanten da sein.

Schließen Teilzeit und Equity-Partnerschaft einander aus?

Vogt: Auf Dauer vermutlich schon. Es geht gar nicht so sehr um die Anzahl der Stunden. Du musst einfach rasch reagieren, eng an deinen Causen dran und für dein Team da sein. Und ohne Flexibilität geht es auch nicht. Ich kann mich in den vergangen Jahren an wenige Skiurlaube erinnern, die nicht von Verhandlungen oder Besprechungen unterbrochen waren.

Körber: Es ist schon ein Job, der ungewöhnlich fremdbestimmt ist. Nicht du planst deine Zeit, sondern der Mandant plant dich.

Sie sprachen von Fähigkeiten, die jeder Anwalt, jede Anwältin haben sollte. Welche sind das?

Körber: Neben ausgezeichneten juristischen Fähigkeiten Selbstbewusstsein, gute Rhetorik und Durchschlagsfähigkeit. Der Job eines Anwalts ist es im Ergebnis immer, sich gegen jemand anderen durchzusetzen und bedingungslos für seine Mandanten einzustehen.

Bemerken Sie denn bei Ihren jungen Juristen und Juristinnen Unterschiede in ihrem Auftreten und in der Arbeitsweise?

Körber: Ja. Es klingt fast klischeehaft. Konzipienten sind selbstbewusster, lauter, manchmal auch schwungvoller. Ich würde mir manchmal wünschen, dass Konzipientinnen sich ein bisschen von dieser „Was kostet die Welt“-Attitüde abschneiden. Und umgekehrt könnte sich so mancher männliche Jurist in puncto Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit etwas abschauen. Wir suchen gezielt nach den Ausnahmen.

Was würden sie jungen Anwältinnen raten, die eine Partnerschaft in einer Kanzlei anstreben?

Körber: Ein Tipp ist, dass man sich einen Marktwert schaffen muss, der völlig unabhängig von jeglicher Kanzlei ist. Es ist keine gute Strategie, sich von einer Kanzlei völlig abhängig zu machen. Und wenn man in einer Kanzlei arbeitet, die einen ohne sachlichen Grund nicht an den Mandanten heranlässt, würde ich schauen, bald wegzugehen.

Es kann also nicht schaden, alsbald seinen eigenen Businessplan zu entwerfen?

Vogt: Definitiv nicht. Es hat Sinn, sich über konkrete Publikations- und Vortragsprojekte Gedanken zu machen und darüber, in welche Gebiete man sich noch vertiefen will und welche Kontakte man noch weiter ausbauen könnte.

Körber: Ich glaube, was alle erfolgreichen Anwälte eint, ist eine Art von Unternehmertum, und zwar von der ersten Sekunde an. Aber gerade in Großkanzleien gibt es Anwälte, die haben dieses Unternehmergen gar nicht, sondern arbeiten wie Angestellte die Causen anderer ab. Mir war es von Anfang an sehr wichtig, so schnell wie möglich eigene Klienten zu haben.

Ältere Anwälte fürchten oft, dass die Jungen ihnen die Mandanten wegnehmen könnten, und schotten sie deshalb ab.

Körber: Das ist der falsche Zugang und nicht unternehmerisch gedacht. Das sieht man an den Kanzleien, die jetzt auseinanderbrechen, weil sie die jungen guten Juristen nicht an die Causen herangelassen haben.

Vogt: Es ist ein Geben und ein Nehmen. Jemandem, der schon viele Jahre im Unternehmen ist und dieses mitentwickelt, vertraue ich leichter eine große Causa an, weil ich nicht davon ausgehe, dass er nach ein paar Jahren mit einem Rucksack im Gepäck weggeht. Und entsprechendes Vertrauen muss man sich letztlich auch erarbeiten.

Sie sind beide auf Arbeitsrecht spezialisiert. Ein frauenfreundliches Gebiet?

Vogt: Es ist ein Bereich, in dem man mit Menschen zu tun hat und Frauen ihre vermittelnden Stärken gut ausspielen können. Und es lässt sich leichter mit der Familie austarieren, anders als das etwa bei M&A der Fall ist.

Körber: Schon, aber wenn eine Frau meint, sie möchte M&A machen, sollte sie es trotzdem tun. Wenn sie eine moderne Familie lebt und das Kanzleimanagement offen ist, wird das genauso gehen.

ZUR PERSON

Birgit Vogt
beendete ihr Jus-Studium 1996.
2002 legte sie die Rechtsanwaltsprüfung ab.

Seit 2004 ist die Mutter zweier Kinder Partnerin in der Kanzlei Kunz Schima Wallentin. [ Fabry ]


Katharina Körber
Hat in Wien Jus studiert und war am Institut für Arbeits- und Sozialrecht in Wien Assistentin. Seit 2012 ist die Mutter einer Tochter Anwältin und bei Kunz Schima Wallentin tätig. Mit Jahresbeginn wurde sie dort Partnerin. [ Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)

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