Anwältinnen: Ein Weg, der 1929 begann

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Heute liegt der Frauenanteil unter Anwälten bei 30 Prozent.

Wien. Im Studienjahr 1897/98 wurden in Österreich Frauen erstmals als außerordentliche Hörer an den philosophischen Fakultäten zugelassen. Während die medizinischen Fakultäten 1900 nachzogen, wollten die staats- und rechtswissenschaftlichen von Studentinnen partout nichts wissen. Die gängige männliche Begründung: Frauen fehle es an dem für die juristische Profession unerlässlichen logischen Denk- und Urteilsvermögen.

Ausgerechnet ein Mann, nämlich Edmund Bernatzik, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Wien, enttarnte in seinem 1899 verfassten Gutachten „Die Zulassung von Frauen zu den juristischen Studien“ die Skeptiker unverblümt: Männer wollten den Frauen den Zugang zu den rechtsgelehrten Berufen nur verwehren, „da man jede Anstellung einer Frau als Raub an jenem Gute ansieht, das dem Manne gebührt“. Trotzdem dauerte es noch weitere 20 Jahre, bis sich etwas änderte. Erst im Sommersemester 1919 wurden Frauen zum rechtswissenschaftlichen Studium zugelassen.

Es dauerte bis 1929

Die Wienerin und Mutter zweier Kinder, Marianne Beth, wurde nicht nur die erste weibliche Doctor iuris, sondern 1929 auch die erste Anwältin Österreichs. Knapp 20 Jahre später, im März 1938, fanden sich unter 2541 Anwälten 16 Frauen. Anfang der 1950er-Jahre waren es 34, 1973 gab es erstmals mehr als 100 Anwältinnen. Und wie ist es heute? Ohne Zweifel, in über 50 Jahren hat sich viel getan. Nach Aufzeichnungen des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) waren mit 31. Dezember 2015 hierzulande 6057 Anwälte eingetragen, 1242 (20,5 Prozent) davon sind Frauen. Die meisten finden sich in Wien (2877/677), am wenigsten im Burgenland (63/9).

Wirft man hingegen einen Blick auf das Geschlechterverhältnis bei den Rechtsanwaltsanwärtern, sieht die Sache ganz anders aus. 50 Prozent (621 von 1249) sind Frauen. Das heißt, nach dem Gerichtsjahr tragen sich noch viele Juristinnen mit dem Wunsch, Anwältin zu werden. Doch auf dem Weg dahin kommen gut 30 Prozent von ihrem Ziel ab. In anderen EU-Ländern ist das nicht so: In Portugal etwa liegt der Frauenanteil (Stand Mai 2015) unter den Anwälten bei 53, in Frankreich gar bei 54 Prozent. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2016)

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