Begehrter Müll: Gerangel um Abfall von Betrieben

Muellwagen auf einer Muellhalde
Muellwagen auf einer Muellhalde(c) Bilderbox
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Niederösterreich will die Abfallentsorgung neu regeln. Geplant ist, dass auch Unternehmen, bei denen viel Abfall anfällt, die kommunale Müllabfuhr benützen müssen. Betrieben und Entsorgern gefällt das gar nicht.

Wien. Der Umweltausschuss im niederösterreichischen Landtag hatte sich dieser Tage mit einer Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz zu befassen. Klingt harmlos, wirbelte aber in der Wirtschaft viel Staub auf: Denn laut dem eingebrachten Gesetzesantrag soll der Müllbegriff erweitert werden. Und damit auch der Zuständigkeitsbereich für die kommunale Müllabfuhr. Auch größere Unternehmen, die sich bisher für einen privaten Entsorger entscheiden konnten, wären demnach künftig verpflichtet, auf das kommunale Angebot zurückzugreifen.

Bewerkstelligt werden soll das durch eine auf den ersten Blick unauffällige Änderung im Gesetz: Als Müll werden derzeit nicht gefährliche Siedlungsabfälle bezeichnet, „wenn das Aufkommen in Menge und Zusammensetzung mit einem privaten Haushalt vergleichbar ist“. Das Wort Menge soll nun durch Art ersetzt werden. Mit der Folge, dass es auf die Menge nicht mehr ankommt – und auch Betriebe, bei denen deutlich mehr Abfall als in einem Haushalt anfällt, den Entsorger nicht mehr frei wählen könnten, sondern sich der kommunalen Müllabfuhr bedienen müssten. Denn auch die Möglichkeit für eine Ausnahmebewilligung soll gestrichen werden.

„Quasimonopol für Kommunen“

Treffen würde das zum Beispiel Hoteliers oder größere Handelsketten. Entsprechend scharfe Kritik kommt von Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will: Hier soll ein „Quasimonopol für die lokalen Kommunen“ geschaffen werden, das bereits erfolgte Liberalisierungsschritte zurückdränge und auf Kosten der Unternehmer gehe. Die Befürchtung: Mit der neuen Regelung könnten private Unternehmen die Entsorgung de facto nicht mehr anbieten, den Betrieben könnten höhere Kosten entstehen. In einem Rechtsgutachten, das der Handelsverband in Auftrag gegeben hat und das der „Presse“ vorliegt, heißt es, die neue Regelung bewirke de facto eine regulatorische Kehrtwende für gewerbliche Abfälle, weg von der Marktwirtschaft bei Entsorgungsbetrieben hin zu einem monopolistischen Pflichtsystem und Gebietsschutz für die kommunale Müllabfuhr. Will ortet in dem beabsichtigten Systemwechsel auch einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit.

Aufgebracht ob der Gesetzesnovelle ist auch der Verband der Österreichischen Entsorgungsbetriebe (VÖEB). „Das wäre eine Verkommunalisierung der Entsorgung“, entrüstet sich Geschäftsführerin Daisy Kroker. Ihr Verband wolle fairen Wettbewerb, Industrie, Handel und Gewerbe fühlten sich überfahren. Der Verband repräsentiere 80 Prozent des Branchenumsatzes, sei aber nicht in die Verhandlungen eingebunden worden.

„Alles rechtlich wasserdicht“

Anton Kasser, Landtagsabgeordneter in St. Pölten und zugleich Präsident der NÖ Umweltverbände, versteht die Aufregung nicht. Die vom Handelsverband behauptete Schaffung eines Quasimonopols könne er keinesfalls nachvollziehen, sagte er zur „Presse“, und ebenso wenig den Vorwurf, gegen EU-Richtlinien zu verstoßen. Alles sei rechtlich wasserdicht. Auf die Kritik des VÖEB kontert Kasser: „Wir haben die Gespräche mit der Wirtschaftskammer geführt.“

Kasser betont, dass Abfallmengen, die über 3120 Liter jährlich hinausgehen, auch künftig über Marktunternehmen entsorgt werden können, das sei in der Neuregelung vorgesehen. Freilich bezwecke die Gesetzesänderung ein regionales Schutzprogramm, räumt er ein – die Entsorgung solle auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden. Und: Niederösterreich folge damit nur dem Beispiel von anderen Bundesländern.

Der Gesetzesentwurf muss nun zur Notifizierung nach Brüssel. Spätestens in drei Monaten sollte laut Kasser das Okay der EU-Kommission vorliegen. Und spätestens im März soll das Gesetz im NÖ-Landtag beschlossen werden. Für die Unternehmen wirksam werden soll es mit 1. Jänner 2019.

AUF EINEN BLICK

Nach geltender Rechtslage fallen unter den Begriff Müll nicht gefährliche, vorwiegend feste Siedlungsabfälle, die üblicherweise in privaten Haushalten anfallen – oder in Betrieben, „wenn das Aufkommen in Menge und Zusammensetzung mit einem privaten Haushalt vergleichbar ist“. Laut einem Gesetzesantrag soll das Mengenkriterium künftig wegfallen, es soll nur mehr auf die Art und Zusammensetzung der Abfälle ankommen. Betriebe, bei denen deutlich mehr Abfall als in einem Haushalt anfällt, könnten demnach den Entsorger nicht mehr frei wählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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