Reformbedarf im Bankwesengesetz wird offenbar

Reformbedarf Bankwesengesetz wird offenbar
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Die gewerbliche Durchführung des Handels auf eigene oder fremde Rechnung mit Wertpapieren bedarf einer Konzession, sofern der Handel nicht für das Privatvermögen erfolgt.

WIEN. In Industrieunternehmen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Finanzabteilung Wertpapiergeschäfte betreibt, um das „Finanzergebnis“ zu verbessern. Mitunter „rettet“ die Treasury gegenüber der weniger erfolgreich agierenden Industrieabteilung das Gesamtergebnis des Unternehmens. Dabei werden etwa Aktien im eigenen Namen und für eigene Rechnung gekauft, nicht um sie nachfragenden Kunden zu verkaufen, sondern allein in der Absicht, sie zu einem günstigen Zeitpunkt wieder zu verkaufen. Benötigt das Unternehmen dafür eine Bankkonzession? Dies hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst bejaht (2007/17/0208).

Die gewerbliche Durchführung des Handels auf eigene oder fremde Rechnung mit Wertpapieren bedarf einer Konzession (gemäß §1 Abs1 Z7 lite Bankwesengesetz – BWG), sofern der Handel nicht für das Privatvermögen erfolgt. Die Konzession ist an strenge Voraussetzungen geknüpft (z.B. fünf Mio. Euro Anfangskapital, zwei bankgeschäftlich erfahrene Geschäftsleiter) und hat erhebliche Konsequenzen (FMA-Aufsicht).

Das beschwerdeführende Unternehmen hatte geltend gemacht, dass es im Rahmen der Wertpapiergeschäfte nicht gewerblich tätig werde. Dies konnte nicht durchdringen, da der Gewerblichkeitsbegriff des BWG nach Lehre und Rechtsprechung weit zu sehen ist (Teil einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit). Es wurde auch vorgebracht, dass das EU-Recht nur den Eigenhandel der Kreditinstitute erfasse. Dazu konnte sich der VwGH mit der Feststellung begnügen, dass es den EU-Staaten nicht untersagt ist, den Kreis der Bankgeschäfte weiter zu ziehen.

Privatvermögen? Fehlanzeige!

Weiters wurde geltend gemacht, dass die Wertpapiergeschäfte für das „Privatvermögen“ (private Vermögensverwaltung) erfolgten. Dazu nahmen die Verwaltungsinstanzen den Extremstandpunkt ein, bei juristischen Personen sei ein Handel für das Privatvermögen nicht möglich, da sie nicht über ein Privatvermögen im Sinn des EStG verfügen. Dieser Frage wich der VwGH aus: Es könne nicht allein darauf ankommen, ob der Erwerb für ein Privatvermögen erfolgt; ausschlaggebend sei vielmehr, ob „Handel“ oder aber der „Erwerb von Beteiligungen“ vorliege. Der Umstand, dass die Aktien dem Umlaufvermögen und nicht dem Anlagevermögen zugewiesen sind, deute auf eine Handelsabsicht hin.

In diesem Punkt geht der VwGH meines Erachtens fehl. Die gesetzliche Formulierung „auf eigene oder fremde Rechnung“ kommt daher, dass Kreditinstitute nicht nur als Kommissionäre für Kunden tätig werden dürfen, sondern Kundenaufträge auch aus eigenen Beständen erfüllen dürfen (sog. Selbsteintrittsrecht). Immer aber geht es um „Handel“, also um das Bereithalten zur Befriedigung von Kundenwünschen. Industrieunternehmen erwerben Aktien nicht, um sie nachfragenden Kunden anzubieten.

In dem Erkenntnis ging es freilich nicht um ein Industrieunternehmen; diese Variation wurde hier zwecks Verdeutlichung vorgenommen. An einer Stelle des Sachverhalts wird erwähnt, dass es sich beim Beschwerdeführer um ein „konzessioniertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ handelt. Dies mag psychologisch von Bedeutung sein, denn Wertpapierfirmen ist das Halten von Kundengeldern nicht erlaubt; also könnte der Verdacht der Umgehung eines gesetzlichen Verbots im Raum stehen. Im Zug der rechtlichen Ableitung ist es auf die Person des Beschwerdeführers aber gar nicht angekommen.

Aus Sicht der Börse ist das Erkenntnis eine Katastrophe, da unvermittelt alle institutionellen Investoren eine BWG-Konzession benötigen. Eine Gesetzesnovellierung ist daher dringend erforderlich. Die Problematik des Handels „für das Privatvermögen“ ist seit 1996, letztlich schon aus der früheren Rechtslage bekannt. Beim Paralleltatbestand für den Warenderivatehandel wurde diese Wendung weggelassen. Für Energieunternehmen, die mit Energiederivaten handeln, wurde überhaupt eine maßgeschneiderte Ausnahme erlassen. Es ist bedauerlich, dass es dieses Erkenntnisses bedurfte, damit der Reformbedarf für jeden drastisch sichtbar wird.

Univ.-Prof. Dr. Raschauer leitet die Abteilung Wirtschaftsrecht des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien.

AUF EINEN BLICK

Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass Unternehmen, die Wertpapiere kaufen und möglichst gewinnbringend verkaufen, um ihr Ergebnis zu verbessern, dafür eine Konzession nach dem Bankwesengesetz benötigen. Der Gerichtshof nimmt nämlich an, dass diese Unternehmen auch dann mit den Papieren „handeln“, wenn sie auf eigene Rechnung vorgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2010)

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